|
|
|
|
|
Klassik.com |
Andreas Schubert |
Liederabend, Frankfurter Oper 28. Oktober 2005
|
Große Gefühle
|
Jonas Kaufmanns Liederabend an
der Oper Frankfurt |
|
Man wollte sie partout nicht gehen lassen. Immer
wieder rief anhaltender, begeisterter Applaus Jonas Kaufmann und Helmut
Deutsch zurück auf die Bühne, zurück für eine weitere Zugabe. Fünf an der
Zahl wurden es schließlich, die das höchst anspruchsvolle offizielle
Programm trefflich ergänzten und dem jungen Tenor und seinem Klavierpartner
die uneingeschränkte Sympathie der Zuhörer sicherten. Tatsächlich war der
Abend bereits nach der eröffnenden ‘Dichterliebe’ so gut wie gewonnen.
Zurückzuführen ist dies in erster Linie – wie auch der Erfolg des Recitals
insgesamt – auf die Tatsache, dass Kaufmann und Deutsch perfekt
zusammenwirkten und mit fesselnder, ausgesprochen persönlicher
Interpretation den Kontakt zum Publikum nicht nur augenblicklich
herstellten, sondern auch zu keiner Zeit abreißen ließen.
Man zweifelte nicht daran, dass Kaufmann verstanden hat was er singt. Jede
dynamische Nuance, jede Konsonantendehnung war wohlüberlegt und fügte sich
in ein eindringliches, kontrastreiches, und vor allem glaubwürdiges
Gesamtbild. Angesichts eines so starken inneren Zusammenhalts, einer so
flüssigen Überbindung der einzelnen Lieder müssen Überlegungen, ob ‘Ich hab’
im Traum geweinet’ oder ‘Aus alten Märchen’ zu opernhaft dargeboten wurde in
den Bereich persönlichen Geschmacks verwiesen werden. Während die
‘Dichterliebe’ trotz allen Aufbegehrens durchzogen war von unprätentiöser
Verletzlichkeit und die nach der Pause folgenden ‘Sieben Sonette des
Michelangelo’ von Britten dem Pathos der Textvorlagen überraschend innige
Schattierungen abgewinnen konnten, bot die abschließende Gruppe von Richard
Strauss-Liedern viel Gelegenheit, den Charmeur herauszukehren. Keine Frage,
dass dies eine von Kaufmanns leichtesten Übungen ist!
Doch der Abend war nicht nur einer der großen, sondern auch der gemischten
Gefühle. Denn so natürlich Kaufmanns Ausstrahlung, so grundmusikalisch sein
Auftreten auch sein mochten: Beides wurde eingetrübt durch technische
Defizite, die sich auf stimmlicher Ebene zuweilen bemerkbar machten. Dass
hinter seinem Tenor ein kräftiges Material mit durchaus heldischen Anklängen
steht, stellte er vielfach (etwa in Strauss’ ‘Cäcilie’) unter Beweis – die
Stimmführung jedoch neigte zur Breite und war vor allem in Mittellage und
Tiefe zu baritonal, um hohe Töne drucklos erzeugen zu können. Obgleich diese
im Forte dennoch Strahlkraft besaßen, litten mesa di voce und mezza voce
merklich, was sich in weniger exaltierten Stücken wie ‘Ich trage meine
Minne’ oder ‘Traum durch die Dämmerung’ am deutlichsten offenbarte.
Helmut Deutsch am Klavier zeichnete sich nicht nur durch technisch
souveränes Spiel und begleiterische Flexibilität aus, sondern transportierte
aufgrund seines konzentrierten und völlig ohne überzogene Gesten
auskommenden Vortrags die jeweiligen Stimmungen umso intensiver. Ein
gelungener, lohnender Liederabend, der von musikalischer Intelligenz und
künstlerischer Atmosphäre gleichermaßen gezeichnet war, aber auch hoffen
lässt, dass Kaufmann der Verlockung des schweren Fachs noch eine Weile
widerstehen (er singt bereits Florestan, Hoffmann und Parsifal) und sich das
lyrische Repertoire in den nächsten Jahren weiterhin offen halten wird. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|