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Rhein-Main-Zeitung |
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Liederabend, Frankfurter Oper 28. Oktober 2005
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Piano-Zauber im Jugendstil
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Jonas Kaufmann und Helmut
Deutsch in der Oper Frankfurt |
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Liedgesang ist für Opernsänger ein untrüglicher
Test, zu erproben, inwieweit die Stimme unter den Belastungen der
Bühnenauftritte gelitten hat, ob sie fernab von spielerischen Aktionen und
schützendem Orchesterteppich noch ihre alte Verläßlichkeit und Flexibilität
besitzt. Blickt man auf die Reihe der Liederabende in der Frankfurter Oper
zurück, so muß man feststellen, daß dies selbst namhaften Bühnenstars nicht
immer gleichermaßen gelingt, ganz abgesehen von stilspezifischen Kriterien
des Liedgesangs.
Unter diesem Aspekt bietet Jonas Kaufmann, der zusammen mit Helmut Deutsch
jetzt einen Abend der Reihe bestritt, ein positives Bild; freilich gehört
der lyrische Tenor, der als Tamino Triumphe feierte, noch immer zu den
Jüngeren. Lange widersteht er der Versuchung, mit seiner prachtvollen Höhe
zu prunken ("Ich grolle nicht" Strauss-Lieder). Noch hat die ausnehmend
schöne Stimme, die manchen an den jungen Fritz Wunderlich erinnerte, nicht
unter Ausgriffen ins "schwere" Fach (Parsifal*, Busonis Doktor Faust**)
gelitten. Vielleicht dauert es heute etwas länger, bis die Stimme in der
Startphase ihren vollen Glanz entfaltet; natürlich ist Schumanns
"Dichterliebe" ein kritischer Einstieg in einen Liederabend, wie ihn nicht
viele wagen. Beglückend jedenfalls ist der unverkennbare Liedton mit einem
reich schattierten Piano (bis zum verschwebenden Pianissimo) als
Ausgangspunkt, gestützt durch sorgsame Phrasierung, vorbildliche
Textbehandlung, unaufdringliche Mimik und Gestik . Die Ausdeutung der
Gedichte bleibt immer im stilistischen Rahmen; selbst in der abschließenden
Richard-Strauss-Gruppe wird der unverkennbare Jugendstil-Gestus nie
veräußerlicht, das Szenisch- Deklamatorische ("Wozu noch" "Ach weh mir
unglückhaftem Mann") dezent angedeutet. Kein Zufall ist es, daß Brittens
"Sieben Sonette des Michelangelo" aus dem Jahr 1940 so selten aufgeführt
werden, zumindest hierzulande. Britten hat für die artifiziell- hermetischen
Liebesgedichte Vertonungen in der großen Liedtradition gefunden, die vor
allem an den Sänger außerordentliche technische (Höhenlage!) wie
musikalische Anforderungen stellen. Die beiden Künstler überzeugten durch
eine klar umrissene Konzeption für die unterschiedlich pointierten, aber
stets tonal gehaltenen Lieder (rasches Parlando im 32. Serenadenton im 38.
Sonett ). Dies alles ruhte spürbar auf dem sicheren Fundament vertrauter
Partnerschaft der beiden Künstler. Helmut Deutsch nutzte seine reiche
Erfahrung für souveräne, dabei selten routinierte, Gestaltung des
Klavierparts. Bei Schumann drängte er glücklich auf Geschlossenheit des
zyklischen Gefüges; von Anfang an ließ er keinen Zweifel an der Bedeutung
des Klavierparts. Immer länger werden die Nachspiele bis zum Herzenserguß
des letzten. Noch einmal knüpfte Deutsch daran an: in der Klavier-Kantilene
des "Morgen" von Richard Strauss, die den Sänger endlos auf seinen Einsatz
warten läßt. Hier war man allerdings schon beim fünffachen Zugaben-Komplex
der drei in München geborenen oder tätigen (Deutsch) Künstler angekommen.
Oft hat man Strauss getadelt, er sei bei der Wahl seiner Textdichter allzu
wahllos gewesen. An diesem Abend konnte man spüren, wieviel von der Art
ihrer Wiedergabe abhängt. Geschieht es so geschmackvoll-diskret, so sind die
auftrumpfenden ("Wie sollten wir" "Nichts") wie die sensiblen ("Traum durch
die Dämmerung ") Lieder bei allem Jugendstil-Ornament als Dokumente ihrer
Zeit durchaus zu würdigen und zu genießen. GERHARD SCHROTH
* Rollendebüt 13.4.2006 !
** ??!! Doktor Faust ist es eine Baritonrolle und den Mephistopheles (in
Busonis Oper eine Tenorrolle) hat Jonas Kaufmann auch nicht gesungen.
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