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Die Südostschweiz, 22. 2. 2005 |
Olivier Berger |
Monteverdi: L'Incoronazione di Poppea, Zürich, Februar 2005
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Götterkampf auf der Putzfrauen-Insel
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Nikolaus Harnoncourt setzt in
Zürich Claudio Monteverdis «Poppea» die Krone auf |
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Das Opernhaus Zürich zeigt seit Freitag
«L'incoronazione di Poppea». Der Musik vermag noch nicht einmal die Regie
von Jürgen Flimm den Garaus zu machen.
Die Grippe ist auch am Ensemble des Opernhauses Zürich nicht spurlos
vorbeigegangen: Gleich zwei Rollen mussten am Sonntagabend bei der zweiten
Aufführung von Claudio Monteverdis «Incoronazione di Poppea» umbesetzt
werden: Maria Costanza Noccentini sang den Part der Drusilla quasi als
Playback zum pantomimischen Spiel von Sandra Trattnig. Und die
Hauptdarstellerin Vesselina Kasarova hatte schon bei der Premiere vom
Freitag passen müssen und wurde in dieser und am Sonntag von Juanita
Lascarro mehr als würdig vertreten.
Magistral musiziert
Die Influenza hätte wohl noch eine breitere Schneise in die Besetzungliste
der ersten Zürcher «Poppea» seit 25 Jahren schlagen können: Der Begeisterung
des Publikums hätte das kaum einen Abbruch getan. Der eigentliche Star
dieser Produktion ist nämlich ohnehin die zeitlos faszinierende Musik
Monteverdis in der Interpretation von Dirigent Nikolaus Harnoncourt, der das
gleiche Werk schon vor einem Vierteljahrhundert - damals als Teil eines
Aufsehen erregenden Monteverdi-Zyklus - auf die Zürcher Bühne gebracht
hatte.
Harnoncourt nähert sich der vom Komponisten kaum festgelegten
Instrumentierung der «Poppea» mit dem nötigen Gleichgewicht von
Zurückhaltung und Kreativität. Die starke und exzellent musizierende
Continuo-Gruppe ergänzt die Dirigenten-Legende dezent mit melodiösen
Einfällen - stets der Handlung dienend und die Sänger unterstützend. Am
Sonntag leitete Harnoncourt das virtuose und hoch musikalische Orchester La
Scintilla des Opernhauses mit höchster Präzision und viel Spass an der
Musik. Letzteres kam vor allem in den Szenen mit der kurzfristig aus Italien
angereisten Noccentini zum Ausdruck, deren Gesangspart der Maestro zwecks
besserem musikalischem Verständnis zwischen Solistin und Orchester stumm
mitsang.
Sängerisch gab es am sonntäglichen Auftritt nichts zu mäkeln. Aus dem
ohnehin starken Ensemble ragten Jonas Kaufmann als Nero, Francesca
Provvisionato als Ottavia und vor allem der unverwüstliche Laszlo Polgar als
Seneca heraus. Jean-Paul Fouchécourt und Kismara Pessati als Ammen
bestachen vor allem durch ihr komisch-mimisches Talent, und Tino Canziani
von den Zürcher Sängerknaben meisterte die Rolle des Amor trotz seines
jugendlichen Alters mit Bravour und Verve.
Besonders gut gelungen sind Ensemble und Orchester die Unterscheidungen
zwischen den drei Gesangsarten, welche Monteverdi für seine «Poppea»
vorschwebten: das «recitar cantando», das «cantar recitando» und das
«cantare». Hier ist Harnoncourts in zahllosen Aufführungen Alter Musik seit
den späten Sechzigern entwickelte Handschrift unverkennbar.
Flimms Pseudo-Modernität
Ein Ärgernis erster Güte ist bei der Zürcher «Poppea» allerdings die
Inszenierung von Jürgen Flimm. Der Regie-Guru und langjährige Intendant des
Hamburger Thalia-Theaters verlegt die Handlung aus der Feder von Giovanni
Busenello aus dem Alten Rom in die heutige Zeit - oder in das, was Flimm
dafür hält.
Die Göttinen Fortuna und Virtù sind Putzfrauen im Motel-artigen
Gebäudekomplex (Bühne: Annette Murschetz), der sich vor der Pause nach
rechts und danach - warum auch immer - nach links dreht. Vor Neros im
Chrom-Leder-Schick gestalteten Büro dämmern somnambule Gestalten sinnlos vor
sich her. Und Ottavia, die verschmähte Gattin, tritt - man hats befürchtet -
in Strapsen auf. Flimm lässt kaum einen optischen Code des Regietheaters der
Achtzigerjahre aus.
Auch wenn derartige Pseudo-Modernisierung ziemlich nervt: Der Musik
Monteverdis und deren Lesart durch Harnoncourt vermag das nichts anzuhaben.
Und um die Musik geht es schliesslich auch bei dieser «Poppea».
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