Salzburger Nachrichten 25. Februar 2005
REINMAR WAGNER
Monteverdi: L'Incoronazione di Poppea, Zürich, Februar 2005
Monteverdi-Oper in den 1970er Jahren
Jürgen Flimm inszenierte in Zürich "L'Incoronazione di Poppea" - Am Pult Nikolaus Harnoncourt
Schon bei den Salzburger Festspielen 1993 haben Nikolaus Harnoncourt und Jürgen Flimm Monteverdis dritte und letzte Oper "L'Incoronazione di Poppea" zusammen herausgebracht. In Zürich, wo Harnoncourt vor über 30 Jahren (mit Jean-Pierre Ponelle) die Sicht auf Monteverdi aktualisiert hat, haben sie nun dem Werk erneut die Krone aufgesetzt. Premiere war Ende der Vorwoche.

Jürgen Flimms Inszenierung baut auf die vielgestaltige Drehbühne von Annette Murschetz und die 70er Jahre des verflossenen Jahrhunderts, was irgendwie so fern erscheint, wie die Römer Schandtaten Neros. Der Poker um Macht, Sex und Liebe ist in dieser High-Society-Gesellschaft nicht tiefgründiger erzählt als in irgendeiner anderen Umgebung. Ein konzeptioneller Wurf ist diese "Poppea" wohl nicht. Was Flimm jedoch nach wie vor beherrscht ist das Handwerk: Die Personenführung ist exzellent, bruchlos und bis ans Ende durchgearbeitet und wird von einem jungen Ensemble auch tadellos umgesetzt. Bisweilen manieriert wirkt die Masche, jedes Wort in einer Geste umzusetzen. Diese Inszenierung hat ihren Unterhaltungswert. Wirklich tief in die Seelen dieser Figuren blicken wir allerdings nicht.

Der Herr der Klangfarben aber war Nikolaus Harnoncourt: Schon im Continuo mit zwei Harfen, Laute, Theorbe und Barockgitarre, Cello und Fagott, Orgel und Cembalo entfachte die Barockfraktion "La Scintilla" des Zürcher Opernorchesters einen Farbenrausch, und die Melodieinstrumente standen ihnen an Nuancen nicht nach. Auch dynamisch sorgte Harnoncourt mit sicherer Hand für Lebendigkeit und Dramatik. Rhythmisch - noch nicht alle Tempowechsel waren im Ensemble sofort klar - zeigt Harnoncourt (wie schon bei seinem Mozart) einen Hang zu Extremwerten und Kontrasten. Spannend und lebendig wirkt das immer, bisweilen allerdings auch etwas plakativ.

Vesselina Kasarova hätte die Titelrolle singen sollen, war aber erkrankt; ihr Ersatz, die in Frankfurt singende Kolumbianerin Juanita Lascarro, sieht zwar blendend aus, was dieser Rolle in den knappen Kostümen von Heide Kastler gut ansteht. Aber ihre sängerischen Möglichkeiten waren beschränkt, sie sang eine gleichförmige, ansonsten gute Poppea. Wie man mehr Klangfarben bei Monteverdi einbringt zeigten Francesca Provvisionato als Ottavia und Jonas Kaufmann als Nero. Eindrücklich sang der Argentinier Franco Fagioli den Ottone: ein Counter mit Körper und Schmelz, elektrisierend und mitreißend.

Monteverdis "Poppea" verlangt viele Rollen, und die meisten sind dankbar, weil jeder Auftritt seine Spezialitäten hat. Rudolf Schasching zum Beispiel brillierte sowohl szenisch wie stimmlich als Lucano. Einmal mehr imposant sang László Polgár den Seneca. Den Vogel schoss Jean-Paul Fouchécourt ab, und dies nicht nur, weil der französische Tenor in der Rock-Rolle Arnalta (die Amme Poppeas) mit seinen sprichwörtlichen Komiker-Fähigkeiten glänzen konnte, sondern genauso wegen seiner herausragenden stimmlichen Fähigkeiten, die in einem zauberhaft-zärtlichen Schlaflied für Poppea gipfelten.

 






 
 
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