Stuttgarter Nachrichten. 24. Februar 2005
A.Friedl
Monteverdi: L'Incoronazione di Poppea, Zürich, Februar 2005
Psychokrimi mit Pizza
Harnoncourt dirigiert Monteverdis "Poppea" in Zürich
Mit seinem hochgeschlossenen Hemd und der dicken Hornbrille ist Franco Fagioli als Ottone von Anfang an als Verlierertyp charakterisiert. Stimmlich lässt sich der Countertenor von dieser Maskerade aber nicht beeindrucken. Ganz akkurat und jubelnd besingt er seine Liebe zu Poppea, fürchterlich durchschüttelt es ihn, als er die Wächter Neros vor ihrem Haus erkennt. Seine Enttäuschung ist verständlich, denn in dem roten Lotterbett räkelt sich eine verführerische Poppea. Juanita Lascarro hat die Zürcher Premiere gerettet, sie ist nach nur eineinhalb Tagen Probe für die erkrankte Vesselina Kasarova eingesprungen. Stimmlich beherrschte sie diese Partie bestens: Sie singt die Rolle derzeit auch in der Frankfurter Oper. Körperlich geht es bei Flimm aber heftig zur Sache: Die Männer schmiegen sich an sie, und wahrscheinlich findet auch sie daran Gefallen. Ganz sicher ist das bei Jonas Kaufmann der Fall, der den Nerone als südlichen Lovertyp spielt. Ein wunderbares, sich beflügelndes Duo hat da zusammengefunden - sie voll von verlangender Ungeduld, er zunehmend überfordert von ihrem Verlangen. Dabei bleibt alles sehr spielerisch; es geht um Liebe, nicht um Macht Das liegt in hohem Maße an Harnoncourts Dirigat. Stehende Töne gibt es bei ihm nicht, diese werden lautlich plastisch gestaltet. La Scintilla, das Spezialistenensemble für Alte Musik aus dem Orchester der Oper Zürich, integriert alte Instrumente in ihr Spiel wie Naturhörner, Barockposaunen oder diverse Saiteninstrumente und bietet so eine breite Palette an Klangfarben. Und wenn Francesca Provvisionato als Ottavia die Abschiedsarie "A Dio Roma" nicht über die Lippen kommen will, drängen auch die Musiker nicht zum flüssigen Spiel. Und wenn Lászlã Polgár als Seneca freudig in den Tod geht, wird er von festlichsten Tönen begleitet. Harnoncourts Sicht auf Monteverdi heute: keine Askese, keine psychologischen Abgründe, sondern sinnlicher Genuss von Note zu Note.
Foto: Hermann und Clärchen Baus






 
 
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