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Reader's Digest, Oktober 2019 |
von Rüdiger Sturm |
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Musik statt Mathematik
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Startenor Jonas Kaufmann über seine
Kinder, sein Faible für Wien … und die richtige Berufswahl
Wäre Jonas Kaufmann seiner ersten Liebe gefolgt, würde der gebürtige
Münchner heute mit Algorithmen statt mit Tonleitern jonglieren. Ursprünglich
hat der 50-Jährige nämlich Mathematik studiert, bevor er auf Gesang
umsattelte. Heute gilt er als einer der renommiertesten Tenöre der Welt.
Kaufmann widmet sich aber nicht nur den Werken der großen Komponisten,
sondern auch ganz persönlichen Vorlieben. Im Oktober erscheint Wien, sein
Album mit Musik aus der Donaumetropole.
Reader’s Digest:
Eigentlich wollten Sie ja Mathematiker werden. Woher dieser Wunsch?
Jonas Kaufmann: Ich habe in der Schule Naturwissenschaften sehr gemocht,
und so wollte ich Mathematik studieren, um etwas Gescheites zu können. Denn
mit der Musik kann man ja nichts anfangen – dachte ich zumindest.
Und jetzt haben Sie der Mathematik für immer Lebewohl gesagt?
Nicht unbedingt. Der Musiker braucht Mathematik, um zu wissen, ob
hinterher die Abrechnung gestimmt hat.
Die scheint angesichts
Ihrer Erfolge zu stimmen. Steckt hinter Ihrem neuen Album mit Wiener Musik
kommerzielles Kalkül?
Überhaupt nicht. Ich habe persönlich
eine starke Affinität zu Wien. Meine Frau lebt seit 2000 dort. Als
gebürtiger Bayer stehe ich den Österreichern zwangsläufig nahe. Zumal meine
Großeltern einen ehemaligen Bauernhof in Tirol bewohnten, auf dem ich jedes
Wochenende und in den Ferien war. Musikalisch ist Wien seit über 100 Jahren
eines der Zentren des deutschsprachigen Raums. Da gibt es unglaublich viele
herrliche Sachen – Salonmusik, Cabaret, Walzerlieder – das ist musikalisch
ganz spannend und zugleich witzig.
Im Juli feierten Sie 50.
Geburtstag. Beginnt da nicht für einen Sänger ein Alter, in dem er sich
langsam schonen müsste?
Inzwischen haben wir andere Zeiten.
Die Stimme kann durchaus bis zum normalen Rentenalter halten. Wobei ich mich
nicht an meinem Beruf festklammern will und warte, bis das Publikum nicht
mehr in meine Konzerte kommt. Mich interessieren auch noch andere Dinge wie
Regie der Dirigieren. Der entscheidende Punkt ist der, dass man sich während
des Berufslebens genug Aktivitäten schafft, die einen interessieren und
erfüllen. Da gehört natürlich die Familie an vorderster Stelle dazu.
Sie wurden in diesem Jahr zum vierten Mal Vater. Lässt sich das mit
einem gefeierten Bühnenauftritt vergleichen?
In keinster
Weise. Die Geburt eines Kindes liegt in einer Dimension, die man auf der
Bühne nicht erreichen kann.
Ihre älteren Kinder sind 13 bis
20 Jahre. Deckt sich Ihr gemeinsamer Musikgeschmack?
Teilweise ja. Natürlich achtet man als Musiker anders auf die Qualität. Aber
teilweise sind mir meine Kinder auch voraus. Sie sagen mir, dass ich
bestimmte Künstler live vergessen kann, weil deren Stimmen elektronisch
bearbeitet sind und die gar nicht singen können.
Wen finden
Ihre Kinder gut?
Diese Leute wechseln ja ständig. Wer vor
einem halben Jahr gut war, ist heute schon out.
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