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nordbuzz, 28.06.18 |
teleschau |
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Jonas Kaufmann - Das moderne Gesicht der Klassik
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Jonas Kaufmann ist wohl einer der
bekanntesten deutschen Tenöre. Sein Erfolg reicht aber schon lange über die
Landesgrenzen hinaus. Auf der Waldbühne in Berlin singt er nun über sein
Sehnsuchtsland Italien. |
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Diese Stimme! Wenn Jonas Kaufmann spricht, füllt
sie den gesamten Raum. Kein Wunder, schließlich ist seine einmalige Stimme
auch sein Kapital: Der Tenor kann nach einer längeren Pause wieder aus dem
Vollen schöpfen. Am Freitag, 13. Juli, singt er auf der Waldbühne in Berlin
einen Liederabend unter dem Motto „Dolce Vita“. Das Fernsehen zeigt längere
Aufzeichnungen des Events: „Jonas Kaufmann in der Waldbühne“, moderiert von
Desirée Nosbusch, läuft am Sonntag, 15. Juli, 22.00 Uhr, im ZDF, und
Samstag, 15. September, 20.15 Uhr, auf 3Sat. Im Interview erzählt der
sympathische 48-Jährige von dem Sehnsuchtsland Italien, von seiner Heimat
München und verrät, wie man auch junge Leute für die klassische Musik
begeistern kann.
nordbuzz: Ihr Liederabend auf der
Waldbühne steht unter dem Motto „Dolce Vita“. Was erwartet die Besucher und
TV-Zuschauer?
Jonas Kaufmann: Das Programm war für
ein deutschsprachiges Publikum konzipiert, das mit einem wehmütigen Blick
über die Alpen nach Italien schaut und sich auf den nächsten Urlaub freut.
Allerdings ist der Liederabend auch erstaunlich gut in Italien angekommen.
Ich freue mich jetzt, vor der herrlichen Kulisse der Waldbühne zu singen.
Mir ist die ernste Geschichte dieses Ortes klar, aber ich denke, ich kann
mit dem Abend eine positive romantische Stimmung erzeugen.
nordbuzz: Wenn Sie wissen, dass ein Konzert oder eine
Opernaufführung aufgezeichnet wird, spüren Sie dann einen besonderen Druck?
Kaufmann: Klar, man weiß, dass einen dann noch mal mehr
Menschen sehen. Aber es kommt auch darauf an, um was für eine Aufzeichnung
es sich handelt. Manchmal werden mehrere Auftritte mitgeschnitten, das ist
entspannter. Bei dem Konzert auf der Waldbühne ist das aber nicht der Fall,
hier muss sofort alles klappen. Alles was man jetzt falsch macht, kann
später sozusagen gegen einen verwendet werde. (lacht)
nordbuzz: Passieren einem Jonas Kaufmann denn überhaupt noch
Fehler?
Kaufmann: Selbstverständlich, denn auch ich
bin nur ein Mensch. Es gibt Tage, da läuft es einfach nicht. Man ist
unkonzentrierter, bekommt die Stimme nicht in Schwung, hat vielleicht eine
Erkältung oder eine Allergie. Außerdem sagt man so schön, die Stimme sei der
Spiegel der Seele, es muss dem Sänger also auch psychisch gut gehen. Auch
wenn man Profi ist, ist man von all dem nicht befreit. Man ist höchstens
konzentrierter, weil man eben die Erfahrung hat.
nordbuzz:
Wie schwer ist es, eine Verbindung zum Publikum aufzubauen?
Kaufmann: Bei einem TV-Publikum ist das schwierig, weil man sich
nicht sieht. Bei einem Publikum vor Ort ist es leichter, diese spezielle
Spannung aufzubauen. Wenn hunderte oder tausende Menschen vor einem sitzen
und gebannt zuhören, ist das eine ungeheure Motivation. Dann entsteht eine
wie auch immer geartete chemische oder akustische Verbindung. Ich spüre, ob
ich die Zuhörer und Zuschauer in meinen Bann gezogen habe, ob sie gespannt
lauschen oder, ob man doch noch mehr geben muss, um ihre Aufmerksamkeit zu
gewinnen. Das ist ein riesiger Ansporn.
nordbuzz:
Und wie schaffen Sie es, die Menschen zu begeistern, die eben nicht live vor
Ihnen sitzen, sondern vor dem Fernseher?
Kaufmann:
Wenn es gelingt, tausend Leute, die vor einem sitzen zu begeistern, dann ist
die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Aufführung auch im TV funktioniert.
Mit besonders viel Herzblut wird der Funke auch über den elektronischen
Kanal ins heimische Wohnzimmer transportiert.
nordbuzz:
Nun schalten die Übertragung einer Oper wahrscheinlich überwiegend Fans ein.
Fehlt in unserer TV-Landschaft denn eine Sendung wie „Wetten dass ..?“, bei
der unterschiedliche Genres zu Gast sind?
Kaufmann:
Ja! Solche Straßenfeger-Sendungen, in denen es um Musik geht, gibt es kaum
mehr oder gar nicht. Früher bot das TV-Programm sogar noch Sendungen, wo man
ein Millionenpublikum nur mit Klassik bespaßt hat: Ich denke da an Anneliese
Rothenberger oder Hermann Prey. Diese Zeit ist vorbei, das ist mir bewusst.
Es ist sehr schwer, heutzutage noch zufällig im TV über Klassik zu stolpern
und dann vielleicht die Liebe zur Klassik zu finden.
nordbuzz: Sie sagen, dass Sendungen wie „Wetten dass ..?“ fehlen.
Aber warum waren Sie eigentlich selbst nie dort?
Kaufmann:
Ich bin gut mit Thomas Gottschalk befreundet, aber als ich bekannter
geworden bin und die Show hätte besuchen können, habe ich ihm signalisiert,
dass ich es nicht möchte. Der Zeitpunkt hat damals nicht gepasst, weil ich
noch sehr kleine Kinder hatte, und ich wollte auch noch nicht so sehr in die
Breite gehen. Meine Kinder sollten in der Schule am nächsten Tag nicht
hören: „Ich habe deinen Papa im Fernsehen gesehen.“ Käme die Anfrage heute,
würde die Entscheidung anders ausfallen: Die Kinder sind größer, und die
Klassik muss sich sehr um eine breite Aufstellung bemühen. Vielleicht
sollten sich mal wieder ein paar klassische Sänger und ein paar aus der
leichteren Muse zusammenschließen und eine Sendung machen!
nordbuzz: Und wie begeistert man die Leute nun für Klassik?
Kaufmann: Im Idealfall muss man die Leute nicht zwingen,
eine Sendung mit Bildungsauftrag einzuschalten, sondern sie zappen per
Zufall in eine Klassik-Sendung. Vielleicht begreifen sie im ersten Moment
gar nicht bewusst, dass es sich um klassische Musik oder eine Oper handelt,
sondern sind einfach gebannt. Die Oper hat ein riesiges Emotionsspektrum,
das sich über das Fernsehen gut transportieren lässt. Erst wenn man diesen
„Wow“-Moment überwunden hat, wird man vielleicht neugierig auf all das, was
dahintersteckt. Vielleicht informiert sich dann der ein oder andere, schaut
ein paar YouTube-Videos oder ist motiviert eine ganze Oper zu sehen.
nordbuzz: Wie realistisch ist das denn?
Kaufmann: All das sind Wunschträume, die vielleicht einmal in
Erfüllung gehen. So ein Konzert wie das jetzige lässt sich gut im TV
transportieren. Eine Sommernacht, eine tolle Kulisse und eine Menge
Menschen. Wenn man das im TV sieht, sagt man sich ja auch: Wenn da so viele
Menschen sitzen, passiert da sicher etwas. Kommt jetzt Peter Maffay oder
Helene Fischer um die Ecke? Nein, es ist Klassik. Und wenn wir gut sind und
Glück haben, dann haben wir wieder ein paar Abhängige von der Droge Klassik
gefunden.
nordbuzz: Ist es für Sie manchmal
frustrierend, dass Klassik doch eher ältere Menschen interessiert?
Kaufmann: Nein, denn das hat einen Grund. Wenn junge Leute
Klassik-begeistert sind, dann sind sie Hardcore Fans. Dass der Rest älter
ist, war schon vor 50 Jahren so und ist ganz normal. Ich glaube schon, dass
Zuhörer vielleicht eine gewisse Reife brauchen, um diesen Zauber der Klassik
zu verstehen. Außerdem stehen junge Leute vor der Entscheidung, ob sie sich
nach einem langen Tag im Büro lieber vor den Fernseher setzen oder ein paar
Stunden in die Oper. Dazu kommt, dass junge Familien oft Kinder haben und
einen Babysitter bräuchten. Und dann wäre da noch der Ticketpreis. Ältere
Leute hingegen leisten sich das öfter, und so entsteht eine Liebe und damit
eine Regelmäßigkeit zur Oper.
nordbuzz: Wie
reagieren Kinder und Jugendliche, die bisher nicht mit Oper vertraut waren,
denn nach Ihren Erfahrungen auf Oper und klassische Musik?
Kaufmann: Immer, wenn wir die Chance bekommen, vor jungem Publikum
zu spielen, ist das für die fast ein Schock. Diese ungeheure Dichte an
Emotionen kann einen überwältigen. Wir spielen dann eine Szene, in der wir
so tun, als würde jemand sterben, und die Kinder und Jugendlichen sind
teilweise extrem berührt. Das wundert mich dann immer. Sie sehen doch jeden
Tag Gewalt im Fernsehen und die verrücktesten Dinge in ihren Videospielen.
Obwohl wir das nur andeuten, ist es viel emotionaler, weil die Musik im
Hintergrund spielt. Ich muss immer an Hitchcock denken, dessen Filme ohne
Musik weit weniger spannend wären. Erst die Klänge bauen die Spannung auf.
nordbuzz: Sie waren schon bei einem Konzert am
Königsplatz zu Gast, demnächst, am Freitag, 13 Juli, findet in München
wieder Klassik am Odeonsplatz statt. Auch wenn Sie nicht mit von der Partie
sind: Sind solche Auftritte und Locations für einen Profi etwas Besonderes?
Kaufmann: Ja. So große Ereignisse, wo 15.000 bis 20.000
Besucher kommen, erlebt man als klassischer Musiker eher selten. Die
Direktübertragung der Oper auf den Max-Joseph-Platz ist ein schönes
Beispiel: Die Menschen sehen meinen Auftritt zwar nur auf Leinwand, aber
danach kann ich rausgehen und sie begrüßen. Ein Fernsehpublikum werde ich an
diesem Abend nie zu Gesicht bekommen. Ich bin in München geboren und
aufgewachsen und um die Ecke vom Königsplatz auf die Hochschule gegangen.
Dort habe ich singen gelernt. Es ist auch für mich überwältigend, wenn ich
20 Jahre danach wieder hier stehe, und die Menschen auf mich schauen.
nordbuzz: Ist ein Auftritt in München ein Heimspiel für
Sie?
Kaufmann: Ja, in der Oper kann man das wohl so
nennen. Das hängt aber auch damit zusammen, dass ich hier regelmäßig
auftrete. Trotzdem bin ich immer wieder über die großen Fangemeinden in
Ländern wie Frankreich, Italien oder sogar Korea überrascht. In Neapel habe
ich einen Preis bekommen für den besten Interpreten neapolitanischer
Volkslieder!
nordbuzz: Was mögen Sie an München ganz
besonders gern?
Kaufmann: Man sagt immer, München
sei die nördlichste Stadt Italiens, und das beinhaltet viel Wahrheit. Nicht,
dass ich meine deutsche Herkunft verleugnen möchte, aber man muss bedenken,
dass Kiel genauso weit weg ist wie Rom. Man orientiert sich hier einfach
mehr nach Süden. Außerdem ist das Wetter etwas Besonderes. Wo sonst kann man
im Januar bei Föhn im Biergarten sitzen? Man hat Berge, Seen und eine Menge
Kultur in Reichweite. Es gibt kaum Argumente, von München wegzugehen.
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