tz, 21.06.15
Britta Schultejans
 
 
Kaufmann: "Ich singe alles – außer Rock und Peking-Oper"
München - Das Gipfeltreffen der Stars auf dem Königsplatz rückt näher: Am 27. Juni gastieren unter anderen Anna Netrebko und Jonas Kaufmann mit Klassik-Häppchen. Der Münchner Startenor (45) im Interview:
 
Müssen Sie mit Anna Netrebko überhaupt proben – oder klappt das einfach so?

Jonas Kaufmann: Kein Konzert ohne Probe! Selbst wenn man auf einer Tournee an zehn Abenden hintereinander dasselbe Programm singt, muss man vor jedem Konzert proben, schon weil jeder Raum eine andere Akustik hat. Und bei einem technisch aufwendigen Freiluft-Konzert vor rund 15 000 Zuschauern wäre es schierer Wahnsinn, ohne Probe auf die Bühne zu gehen. Für dieses Konzert sind selbstverständlich mehrere Proben angesetzt, zumal auch Stücke auf dem Programm stehen, die wir noch nicht miteinander gesungen haben.

Was sind für Sie als Weltstar noch Herausforderungen?

Kaufmann: Den einmal erreichten Qualitätsstandard zu halten, ist die eine Sache – doch für mich besteht die größte Herausforderung darin, mich künstlerisch und stimmlich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Jahrelang immer dieselben Rollen zu singen, würde mich einfach langweilen. Ich brauche die Abwechslung – stimmlich, sprachlich und musikalisch.

Welche Rollen wollen Sie unbedingt mal singen?

Kaufmann: Verdis Otello, Offenbachs Hoffmann und Wagners Tannhäuser. Die ersten beiden sind für die Spielzeit 2016/17 geplant. Wann Tannhäuser kommt, steht noch nicht fest. Ich halte es grundsätzlich mit den Bergsteigern: jeden Schritt langsam und mit Bedacht.

Gibt es auch etwas, das Sie auf keinen Fall singen würden?

Kaufmann: Peking-Oper und Rockkonzerte. Für alle Sänger gibt es natürliche Grenzen, auch für die vielseitigen.

Wie wichtig ist denn Ihrer Ansicht nach heutzutage so etwas wie ein Star-Kult in der Klassik?

Kaufmann: „Star-Kult“ bringt höchstens dann etwas, wenn Stars als Türöffner und Zugpferde dienen. Denn letztlich geht es ja nicht darum, eine neue Callas oder einen neuen Karajan aufzubauen, sondern mit Hilfe bedeutender Künstler dafür zu sorgen, dass klassische Musik wieder mehr Bedeutung im Alltag hat. Zu Carusos Zeiten waren Puccini-Arien die Pop-Hits, die jeder kannte und mitsingen konnte. Davon sind wir heute Lichtjahre entfernt, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Klassik an Popularität gewinnt, wenn man sie entsprechend präsentiert.

Zu großen Auftritten wie diesem gehört sicher auch eine gewisse Lust an der Selbstdarstellung …

Kaufmann: „Selbstdarstellung“ ist ein Negativbegriff, der uns in der Diskussion um den Stellenwert von Klassik nicht weiterbringt. Wir sind Darsteller, und ohne Darstellungstrieb sollte man nicht auftreten. Wer aber nur sich selbst darstellt, sollte sich ein anderes Betätigungsfeld suchen. Wir stellen Figuren dar, in einer Aufführung genauso wie im Konzert. Wenn ich im Konzert E lucevan le stelle aus Tosca singe, ist es ja dieselbe Situation wie in der Aufführung: Ein zum Tode Verurteilter nimmt Abschied von seinem Leben. Auch ohne Kostüm und Maske stelle ich diese besondere Situation dar.

Die teuersten Karten für das „Gipfeltreffen“ kosten fast 320 Euro. Ist das angemessen?


Kaufmann: Das müssen die Zuschauer entscheiden. Preislich liegt das Konzert zwischen den Premierenkarten der Bayerischen Staatsoper und den Opernkarten der Salzburger Festspiele; die günstigste Karte fürs Gipfeltreffen kostet 50 Euro.

Anna Netrebko wagt sich 2016 zum ersten Mal an Wagner. Was raten Sie ihr?

Kaufmann: Birgit Nilsson, die legendäre Brünnhilde und Turandot, hat auf die Frage, was man für Wagner vor allem mitbringen müsse, geantwortet: bequeme Schuhe!









 
 
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