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dpa, 14.03.2014 |
dpa |
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London, Mailand, Paris oder New York - für Jonas Kaufmann (44) ist es ganz normal, an den größten Opernhäusern der Welt zu singen. Dabei spielte der Tenor am Anfang seiner Karriere mit dem Gedanken, die Musik aufzugeben.
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Star-Tenor Jonas Kaufmann: „Man wird leicht ausgetauscht“
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Zur Zeit gastiert der in München geborene
Kaufmann in der Hauptrolle des Werther an der renommierten Metropolitan
Opera in New York, von wo aus seine letzte Vorstellung an diesem Samstag
auch in mehr als 170 Kinos in Deutschland live übertragen wird. Im Interview
der Nachrichtenagentur dpa erzählt Kaufmann, wie er mit Leistungsdruck
umgeht und warum es gesund ist, nicht zu früh erfolgreich zu werden.
Frage: Sie werden als einer der besten Tenöre unserer Zeit
gefeiert. Auf ihrer Website schreiben Sie, dass Sie gerade am Anfang ihrer
Karriere an manchen Abenden kaum sicher waren, die Vorstellung mit Anstand
hinter sich bringen zu können. Zweifeln Sie noch an sich?
Antwort: Nein, das nicht. Aber im Laufe seiner Karriere muss man
sehr viele Entscheidungen treffen und teilweise lange im voraus, da
Opernproduktionen meist fünf Jahre vorab geplant werden. Man muss sich also
fünf Jahre vorher überlegen, ob man, wenn die Zeit reif ist, diese oder jene
Partie singen kann, oder noch nicht, oder nicht mehr. Meine größte Sorge ist
sicherlich, dass ich mich da täuschen könnte.
Frage:
Großer Druck kann schnell dazu führen, dass man blockiert. Wie konnten Sie
sich davon befreien?
Antwort: Da gehört ein gewisses
Selbstvertrauen zu. Man muss an seinen Erfolg und an eine zweite Chance
glauben. Viele Sänger denken, wenn sie absagen, werden sie nicht mehr
engagiert. Leider müssen sie auch so denken, weil sie an der Kippe zur
Arbeitslosigkeit stehen. Deshalb betreiben sie Raubbau an ihrem Instrument.
Gott sei Dank habe ich mich sehr früh freigeschwommen und Entscheidungen
getroffen, die zwar nicht karriereorientiert waren, aber meine Stimme
gerettet haben. Außerdem ist es besser, sich nicht zu präsentieren, als sich
schlecht zu präsentieren.
Frage: Sind sie ein
Perfektionist?
Antwort: Nein. Aber es geht auch
nicht um meine eigene Einstellung, sondern um die Beurteilung durch andere.
Die Welt ist sehr hart und stark von Konkurrenzdenken geprägt. Man wird
leicht ausgetauscht. Egal, wer wann wo wie einmal versagt, wird einfach, ich
will nicht sagen, gebrandmarkt. Ich wundere mich immer wieder, dass nicht
respektiert wird, wenn ein Sänger eine Vorstellung absagt, weil er krank
ist. Wenn ein Fußballer einen Muskelfaserriss hat, wird er nicht gedopt auf
dem Platz herumhumpeln müssen.
Frage: Gerade zu
Beginn ihrer Karriere war der Druck teilweise so groß, dass Sie sich
überlegt haben, es ganz sein zu lassen.
Antwort: Das
war eine wirklich unangenehme Zeit. Ich hatte nicht die richtige Technik,
meine Stimme zu benutzen. Dadurch wurde sie sehr schnell müde und war
besonders anfällig, beispielsweise für Erkältungen. Und so geriet ich in
einen Teufelskreis, in dem ich eine Schwierigkeit nach der anderen hatte.
Teilweise stand ich auf der Bühne und konnte die ganze Zeit an nichts
anderes denken als daran, ob es noch für den nächsten und den übernächsten
Abschnitt reicht und was danach kommt. Das hat sich Gott sei Dank gebessert.
Frage: Hat Sie der Umstand, dass sie relativ spät
erfolgreich geworden sind, so souverän gemacht?
Antwort:
Ich hatte viele Jahre Zeit, irgendwann in der ersten Reihe zu stehen und dem
Druck standzuhalten. Als ich jung und meine Technik noch nicht ausgereift
war, war ich mit den Gedanken woanders. Ich hab mir auf der Bühne überlegt,
welcher Abschnitt als nächstes kommt und was ich da tun muss. Je mehr man
sich davon befreit, desto echter und natürlicher wird man. Aber das kommt
nicht über Nacht, sondern nur mit Routine und Erfahrung. Insofern war es
genau der richtige Weg.
Frage: Wie hat sich Ihr
Debüt an der Metropolitan Opera damals angefühlt und was hat sich bis heute
verändert?
Antwort: Bei meinem Debüt an der Met 2006
war ich furchtbar aufgeregt, als der Vorhang aufging. Ähnlich war es bei
meinem Debüt in Mailand, da bin ich fast in den Boden gesunken. Natürlich
ist das inzwischen bis zu einem gewissen Grad Normalität geworden. Aber in
einem positiven Sinne. Ich gehe einfach entspannter damit um.
Frage: Was kann denn nach Ihren Erfolgen noch kommen?
Antwort: Was die großen und wichtigen Häuser angeht,
habe ich so ziemlich alles abgegrast. Aber Ziele gibt es immer. Mir fehlt
noch Südamerika mit dem Teatro Colón. Es gibt auch wahnsinnig viele Rollen,
die ich noch singen möchte. Und auch Rollen, die ich an bestimmten Häusern
noch nicht gesungen habe. In Frankreich habe ich beispielsweise noch nie
Wagner gesungen, was unbedingt noch kommen muss. Es gibt viele Erwartungen,
die ich erfüllen möchte und kann.
Frage: Wie
bewahren Sie bei all dem Erfolg Ihre Leidenschaft?
Antwort:
Sich weiter zu motivieren, wenn man großen Erfolg hat, ist eine der
schwierigsten Sachen. Ein wichtiger Punkt ist für mich die Vielfalt der
Partien. Es gab großartige Sänger wie Alfredo Kraus, die nicht über sechs
oder sieben Partien in ihrem Leben hinausgekommen sind. Das könnte ich
nicht, ich brauche einfach die Herausforderung und die Abwechslung. Je öfter
man eine Partie macht, desto ausgereifter kann man sie zwar singen. Man
läuft aber Gefahr, letzten Endes Dienst nach Vorschrift zu machen. Und ich
hoffe schwer, dass ich nie in die Situation komme, wo ich es nur noch als
Job ansehe.
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