Im Dezember triumphierte er als Lohengrin an der Mailänder Scala, jetzt
singt er Parsifal an der Metropolitan Opera in New York: Jonas Kaufmann
hat sich zum 200. Geburtstag Richard Wagners (1813-1883) dem Meister
verschrieben.
Auf einer neuen CD, kurz und knapp „Wagner“
(Erscheinungstag: 15. Februar) betitelt, singt der Startenor eine halbes
Dutzend Arien – von „Lohengrin“ bis „Meistersinger“. Dabei sieht sich
Kaufmann nicht als ausschließlicher Wagner-Tenor, wie er der
Nachrichtenagentur dpa sagte.
Werden Sie in den USA
eigentlich in die Schublade „The German tenor“ gesteckt?
Kaufmann: „Nein, denn ich bin ja anfangs nicht als Vertreter des
deutschen Fachs, sondern für die italienische und französische Oper nach
New York gekommen. Meine erste Wagner-Partie habe ich vor zwei Jahren an
der „Met“ gesungen – den Siegmund in der „Walküre“. Viele meinen: Einmal
Wagner, immer Wagner. Da hat man dann den Stempel. Deswegen bestehe ich
auf eine Mischung. Es wäre grausam, ein ganzes Jahr dieselben Partien zu
singen.“
Es dürfte Fans geben, die sich nichts anderes
wünschen, als dass ein Sänger nur Wagner singt ...
Kaufmann: „Aber Wagner hat sich ja gerade von der Gesangstechnik der
Italiener inspirieren lassen. Wo nehme ich denn die Übung her, wenn
nicht von Verdi und Puccini? Bei den Italienern bekomme ich die
Schönheit und Weichheit in der Stimme, die ich dann bei Wagner brauche.“
Fürchten Sie sich vor den Wiederholungen?
Kaufmann: „Das Repertoire ist so mannigfaltig und auf meiner Warteliste
stehen wunderschöne Opern. In den nächsten zehn Jahren wird es
abwechslungsreich. Danach bin ich vielleicht froh, dass ich keine neue
Partie mehr lernen muss.“
Wann haben Sie Wagner zum
ersten Mal gehört?
Kaufmann: „An das genaue Jahr
erinnere ich mich nicht. Mein Vater und mein Großvater hatten eine große
Sammlung von Tonbädern, bestimmte Aufnahmen liefen bei uns rauf und
runter und Wagner hatte dabei einen großen Anteil. Ich bin mit dieser
Musik aufgewachsen.“
Manche Menschen können mit Wagner
nichts anfangen.
Kaufmann: „Bei Wagner gibt es nur Liebe
oder Hass, dazwischen passt kaum etwas. Vielen fällt der Einstieg
schwer. Als leichte Kost nebenbei ist er nicht zu haben. Man muss die
Geduld haben, um die komplexe Gestaltung der Musik und ihre Logik zu
erkennen. Aber dann macht es unheimlich Spaß. Man wird süchtig, wenn man
die versteckten musikalischen Motive erkennt.“
Eine
gewisse Überzeugungsarbeit ist also nötig.
Kaufmann:
„Ein guter Bekannter meinte, Wagner sei simpel und effekthascherisch.
Daraufhin habe ich ihm meine neue CD vorgespielt, und da hat er mir
gestanden, dass durch meine langen Phrasierungen, also ohne durch
häufiges Zwischenatmen die Linie zu durchbrechen, die Musik Wagners für
ihn erst Sinn macht. Da wird ein Sog erzeugt, der einen nicht mehr
loslässt.“
Vor „Tristan und Isolde“ haben Sie Respekt...
Kaufmann: „Der zweite Akt ist wunderschön, das ist im Bereich des
Möglichen. Beim dritten Akt fragt sich jeder Sänger, ob das eine Stimme
überhaupt aushält. Deswegen spare ich mir den „Tristan“ auf, bis zu dem
Zeitpunkt, an dem ich weiß, dass ich das auch stimmlich sicher meistern
kann.“
Sie haben auf der CD auch die Lieder aufgenommen,
die Wagner im Schweizer Exil für seine Geliebte Mathilde Wesendonck
schrieb – an sich für Frauenstimme komponiert.
Kaufmann:
„Ja, das steht bei Wagner so da. Aber ich finde diese Texte überhaupt
nicht frauenlastig. Wagner hat sich damit identifiziert, wie eine
Pflanze in fremder Erde zu leiden. Deswegen finde ich es konsequent,
Wagners Gefühle mit einer Männerstimme auszudrücken. Und ich gönne es
den Frauen nicht, dass nur sie das Recht auf dieses wunderbare Werk
haben.“
Sie fühlen sich also ein wenig wie Wagner in der
Fremde?
Kaufmann: „Ich bin nicht in der gleichen
Leidensphase wie Wagner damals. Aber die Gefühle kann man
nachvollziehen, wenn man wie ich lange nicht zu Hause ist und nur aus
dem Koffer leben muss.“