Seinen Durchbruch feierte er im Februar 2006 an der MET in New York.
Seitdem singt Jonas Kaufmann sich auf den international bedeutenden
Opernbühnen in die Herzen des Publikums und sammelt Auszeichnungen am
laufenden Band. Der Münchner Startenor ist im November an der Côte
d’Azur und gab der RCZ vorab ein Interview.
RCZ:
Sind Sie im November das erste Mal in Nizza? Welche Verbindung haben Sie
persönlich zur Côte d’Azur?
Jonas Kaufmann: Ich
bin als Student mehrmals in Nizza gewesen und hab dort in
Kirchenkonzerten gesungen, u. a. das Mozart-Requiem und Motetten von
Bach. Danach habe ich von Nizza leider nur noch den Flughafen gesehen,
auf der Durchreise nach Monte Carlo oder Montpellier. Im Opernhaus von
Nizza bin ich noch nicht gewesen, weder als Zuschauer noch als Sänger.
Das Opernkonzert am 9. November ist also mein Debüt an diesem Haus.
Das Publikum liebt Sie nicht nur für Ihre sängerische
Vielseitigkeit, sondern auch für die Intensität, mit der Sie Ihre Rollen
verkörpern. Wie bereiten Sie sich auf Ihre Auftritte vor?
Mit einem konzentrierten Programm von Gymnastik, Yoga und autogenem
Training. Letzteres kann sehr helfen, die innere Ruhe wieder zu finden.
Klassischer Gesang ist ja ein Hochleistungssport, und um die Leistung zu
bringen, die man von uns erwartet, müssen wir genauso trainieren wie
jeder Sportler auch.
Ursprünglich haben Sie Mathematik
studiert. Was hat Sie zum Gesangsstudium gebracht?
Die
Liebe zur Musik und die Erkenntnis, dass ich kein Schreibtischtäter bin.
Mathematik hatte ich mehr aus Sicherheitsgründen gewählt denn aus
Leidenschaft. Ich wollte ein ähnlich gesichertes Auskommen haben wie
mein Vater, der bei einer Versicherung arbeitete. Sänger zu werden
erschien mir da viel zu riskant. Aber während der ersten Semester des
Mathematik-Studium wurde mir deutlich klar, dass das der falsche Weg
ist. Es kostete mich dann noch ein ganz schönes Stück Mut, die
Mathematik an den Nagel zu hängen. So begann ich im Sommer 1989 meine
Ausbildung zum Opern- und Konzertsänger an der Hochschule für Musik und
Theater in München.
Welche Menschen haben Sie auf Ihrem
Weg inspiriert?
Oh, das waren so viele. In meiner
Studienzeit war es vor allem Josef Metternich, bei dem ich privat
Stunden nahm und der mir in seiner rheinischen Art sagte: „Jungschen,
isch werd dat Tier in Dir wecken. Und wenn dat einmal draußen ist, dann
jeht dat nisch mehr rein die Kiste!“ - Ganz entscheidend für meine
Entwicklung als Sänger war mein späterer Lehrer, Michael Rhodes. Bei ihm
lernte ich, endlich mit meiner eigenen Stimme zu singen, statt so
klingen zu wollen, wie man sich an der Hochschule einen „lyrischen
deutschen Tenor“ vorstellt. „Just relax and sing“, sagte er, und das war
für mich in dieser Situation genau das Richtige. Neben ihm und meiner
Frau, der Mezzosopranistin Margarete Joswig, gab es immer wieder
Menschen, von denen ich Wesentliches lernen konnte. Zum Beispiel Giorgio
Strehler. Sein Credo war, die szenische Aktion jeden Abend neu zu
erfinden. Natürlich muss man sich ein Grundgerüst erarbeiten. Aber wenn
man das einmal getan hat, dann sollte man frei genug sein, am Abend
spontan zu reagieren – auf den Dirigenten, auf die Partner, auf die
Stimmung im Saal. Das war für mich eine ganz wesentliche Erkenntnis, die
ich seither nie aus dem Blick verloren habe.
Seit Ihrem
Durchbruch im Februar 2006 an der MET in New York singen an den
international bedeutenden Opernbühnen, Auszeichnungen folgen am
laufenden Band (jüngst der Echo 2012 für die beste Operneinspielung).
Mit wem, wo oder welche Rolle würden Sie gerne noch singen?
Was meine Partner auf der Bühne betrifft, bin ich im Moment
wunschlos glücklich. Was ich mir wünschen würde, wären besondere
Konzertprogramme, z. B. ein Duo-Abend mit Bryn Terfel. Ein Theater, das
mir bislang noch fehlt in meiner Vita, ist das Teatro Colon in Buenos
Aires. Da würde ich gern mal singen, schon wegen der Akustik, die von
allen Sängern als phänomenal gepriesen wird. Wunschpartien gibt es
etliche. Dazu gehören Riccardo, Alvaro und Otello, Andrea Chenier,
Hoffmann und Tannhäuser, Hermann in „Pique Dame“ und Paul in Korngolds
„Tote Stadt“.
Ein hartnäckiger Infekt hat Ihnen dieses
Frühjahr eine mehrmonatige Zwangspause auferlegt. Hat sich nach dieser
Auszeit für Sie etwas verändert?
Mir ist während dieser
Auszeit einmal mehr klar geworden, wie wichtig es ist, „nein“ sagen zu
können, vor allem, wenn man gesundheitlich angegriffen ist. In solchen
Situation muss man unbedingt dafür sorgen, erst vollständig auskuriert
zu sein, bevor man sich wieder den täglichen Belastungen des Berufes
stellt. Irgend wann habe ich diese Tatsache dann als Chance begriffen
und habe versucht, die Zwangspause so sinnvoll wie möglich zu nutzen und
meine Batterien vollständig wieder aufzuladen. Seither ist wieder alles
in Ordnung.
Welche Wünsche oder Träume haben Sie für Ihre
Zukunft?
Gesund zu bleiben, so lange wie möglich in
guter Verfassung singen zu können und mehr Zeit mit meiner Familie zu
verbringen.
Das Opernkonzert am 9. November um 20 Uhr in der Oper
Nizza enthält unter anderem Arien und Szenen aus La Gioconda, Carmen,
Cavalleria, Werther, Andrea Chénier, Die Walküre und Lohengrin.