Riviera Côte d’Azur Zeitung, 1.10.2012
SSE
Kraftvolles Timbre und zartes Piano 
 
 

Seinen Durchbruch feierte er im Februar 2006 an der MET in New York. Seitdem singt Jonas Kaufmann sich auf den international bedeutenden Opernbühnen in die Herzen des Publikums und sammelt Auszeichnungen am laufenden Band. Der Münchner Startenor ist im November an der Côte d’Azur und gab der RCZ vorab ein Interview.

RCZ: Sind Sie im November das erste Mal in Nizza? Welche Verbindung haben Sie persönlich zur Côte d’Azur?

Jonas Kaufmann: Ich bin als Student mehrmals in Nizza gewesen und hab dort in Kirchenkonzerten gesungen, u. a. das Mozart-Requiem und Motetten von Bach. Danach habe ich von Nizza leider nur noch den Flughafen gesehen, auf der Durchreise nach Monte Carlo oder Montpellier. Im Opernhaus von Nizza bin ich noch nicht gewesen, weder als Zuschauer noch als Sänger. Das Opernkonzert am 9. November ist also mein Debüt an diesem Haus.

Das Publikum liebt Sie nicht nur für Ihre sängerische Vielseitigkeit, sondern auch für die Intensität, mit der Sie Ihre Rollen verkörpern. Wie bereiten Sie sich auf Ihre Auftritte vor?

Mit einem konzentrierten Programm von Gymnastik, Yoga und autogenem Training. Letzteres kann sehr helfen, die innere Ruhe wieder zu finden. Klassischer Gesang ist ja ein Hochleistungssport, und um die Leistung zu bringen, die man von uns erwartet, müssen wir genauso trainieren wie jeder Sportler auch.

Ursprünglich haben Sie Mathematik studiert. Was hat Sie zum Gesangsstudium gebracht?

Die Liebe zur Musik und die Erkenntnis, dass ich kein Schreibtischtäter bin. Mathematik hatte ich mehr aus Sicherheitsgründen gewählt denn aus Leidenschaft. Ich wollte ein ähnlich gesichertes Auskommen haben wie mein Vater, der bei einer Versicherung arbeitete. Sänger zu werden erschien mir da viel zu riskant. Aber während der ersten Semester des Mathematik-Studium wurde mir deutlich klar, dass das der falsche Weg ist. Es kostete mich dann noch ein ganz schönes Stück Mut, die Mathematik an den Nagel zu hängen. So begann ich im Sommer 1989 meine Ausbildung zum Opern- und Konzertsänger an der Hochschule für Musik und Theater in München.

Welche Menschen haben Sie auf Ihrem Weg inspiriert?

Oh, das waren so viele. In meiner Studienzeit war es vor allem Josef Metternich, bei dem ich privat Stunden nahm und der mir in seiner rheinischen Art sagte: „Jungschen, isch werd dat Tier in Dir wecken. Und wenn dat einmal draußen ist, dann jeht dat nisch mehr rein die Kiste!“ - Ganz entscheidend für meine Entwicklung als Sänger war mein späterer Lehrer, Michael Rhodes. Bei ihm lernte ich, endlich mit meiner eigenen Stimme zu singen, statt so klingen zu wollen, wie man sich an der Hochschule einen „lyrischen deutschen Tenor“ vorstellt. „Just relax and sing“, sagte er, und das war für mich in dieser Situation genau das Richtige. Neben ihm und meiner Frau, der Mezzosopranistin Margarete Joswig, gab es immer wieder Menschen, von denen ich Wesentliches lernen konnte. Zum Beispiel Giorgio Strehler. Sein Credo war, die szenische Aktion jeden Abend neu zu erfinden. Natürlich muss man sich ein Grundgerüst erarbeiten. Aber wenn man das einmal getan hat, dann sollte man frei genug sein, am Abend spontan zu reagieren – auf den Dirigenten, auf die Partner, auf die Stimmung im Saal. Das war für mich eine ganz wesentliche Erkenntnis, die ich seither nie aus dem Blick verloren habe.

Seit Ihrem Durchbruch im Februar 2006 an der MET in New York singen an den international bedeutenden Opernbühnen, Auszeichnungen folgen am laufenden Band (jüngst der Echo 2012 für die beste Operneinspielung). Mit wem, wo oder welche Rolle würden Sie gerne noch singen?

Was meine Partner auf der Bühne betrifft, bin ich im Moment wunschlos glücklich. Was ich mir wünschen würde, wären besondere Konzertprogramme, z. B. ein Duo-Abend mit Bryn Terfel. Ein Theater, das mir bislang noch fehlt in meiner Vita, ist das Teatro Colon in Buenos Aires. Da würde ich gern mal singen, schon wegen der Akustik, die von allen Sängern als phänomenal gepriesen wird. Wunschpartien gibt es etliche. Dazu gehören Riccardo, Alvaro und Otello, Andrea Chenier, Hoffmann und Tannhäuser, Hermann in „Pique Dame“ und Paul in Korngolds „Tote Stadt“.

Ein hartnäckiger Infekt hat Ihnen dieses Frühjahr eine mehrmonatige Zwangspause auferlegt. Hat sich nach dieser Auszeit für Sie etwas verändert?

Mir ist während dieser Auszeit einmal mehr klar geworden, wie wichtig es ist, „nein“ sagen zu können, vor allem, wenn man gesundheitlich angegriffen ist. In solchen Situation muss man unbedingt dafür sorgen, erst vollständig auskuriert zu sein, bevor man sich wieder den täglichen Belastungen des Berufes stellt. Irgend wann habe ich diese Tatsache dann als Chance begriffen und habe versucht, die Zwangspause so sinnvoll wie möglich zu nutzen und meine Batterien vollständig wieder aufzuladen. Seither ist wieder alles in Ordnung.

Welche Wünsche oder Träume haben Sie für Ihre Zukunft?

Gesund zu bleiben, so lange wie möglich in guter Verfassung singen zu können und mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen.

Das Opernkonzert am 9. November um 20 Uhr in der Oper Nizza enthält unter anderem Arien und Szenen aus La Gioconda, Carmen, Cavalleria, Werther, Andrea Chénier, Die Walküre und Lohengrin.


 

 






 
 
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