Sie singen gemeinsam mit Ihrer Frau
Margarete Joswig in Saarbrücken. Eine in dieser Zeit geplante Tournee
mit der Met nach Japan haben Sie abgesagt. Was waren die Gründe dafür?
Kaufmann: Meine Absage geschah in erster Linie aus
Rücksicht auf meine Familie, die nach den katastrophalen Ereignissen in
Japan entschieden gegen meine für Juni geplante Reise dorthin votierte.
Ihre Laufbahn begann in Saarbrücken: Was haben Sie positiv
wie negativ von diesem Engagement mitgenommen?
Kaufmann: Die Negativ-Erfahrung war, dass ich als
Hochschulabsolvent nicht genügend vorbereitet war, um den harten
Theateralltag des Anfängers zu bewältigen. Ich bin da wirklich aus allen
Wolken gefallen, denn die körperliche und stimmliche Beanspruchung trieb
mich an die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit. Diese Krise wiederum
führte zu einer der positivsten Erfahrungen meines Berufslebens, nämlich
der Begegnung mit meinem Lehrer Michael Rohdes. Bei ihm lernte ich,
endlich mit der mir eigenen Stimme zu singen, statt so klingen zu
wollen, wie man sich an der Hochschule einen "lyrischen Tenor"
vorstellt.
Wiener Staatsoper, Scala, London, Met,
Salzburger Festspiele und auch Bayreuth im Vorjahr: Sie sammeln berühmte
Auftrittsorte wie der Normalbürger Briefmarken . . ..
Kaufmann: Ich sammle durchaus nicht "erste Adressen"
wie andere Briefmarken, sondern reagiere auf Angebote. Und ein gutes
Angebot von der Scala, der Met oder aus Bayreuth auszuschlagen wäre
schlichtweg dumm.
Wenn Sie einmal auf Ihre Berufsanfänge
zurückschauen, spürten Sie damals, dass das Zeug zu einer großen
Karriere in Ihnen steckt?
Kaufmann:
Davon hatte ich vielleicht mal während des Studiums geträumt, aber in
meinen Anfängerjahren bin ich ziemlich unsanft aufgewacht, siehe oben.
Der Saarbrücker Zeit ist in Ihrer Biografie "J.K. - Meinen
die wirklich mich?", die Thomas Voigt verfasst hat, ein kleines Kapitel
gewidmet, das aber auch deutlich werden lässt, wie sehr gerade junge
Solisten an so einem Haus gefordert sind. Hätte sich Ihre Stimme auch so
entwickeln können wie sie heute ist, wenn Sie in diesem fordernden
Opernbetrieb geblieben wären?
Kaufmann: Das ist schwer
zu sagen. Eines weiß ich sicher: Wenn ich nicht das Glück gehabt hätte,
bei Michael Rohdes stimmlich und stimmtechnisch noch mal von vorn
anzufangen, dann hätte ich mir tatsächlich einen neuen Beruf suchen
müssen.
Sie singen nun am 3. Juni mit Ihrer Frau
Margarete Joswig: Ist so ein gemeinsames Konzert etwas Besonderes?
Kaufmann: Natürlich ist es etwas Besonderes, zumal
wir nur noch selten gemeinsam auf der Bühne stehen können. Meine Frau
ist mein bester und strengster Kritiker. Niemand kennt meine Stimme so
gut wie sie, und niemandem vertraue ich mehr als ihr. Es ist ja so: Je
höher man steigt auf der so genannten Karriereleiter, desto weniger
Menschen gibt es, die einem die Wahrheit sagen. Meistens hört man:
"Alles prima, wunderbar!" Und das macht einen natürlich mit der Zeit
misstrauisch. Umso mehr weiß ich die absolut unbestechliche Meinung
meiner Frau zu schätzen.
Ihre Frau hat der drei Kinder
wegen die eigene Karriere zurückgefahren, haben Sie auch mal eine Art
Elternzeit der Kinder wegen in Erwägung gezogen?
Kaufmann: Nein. Wenn ich jetzt eine "Elternzeit" nehmen
würde, hieße es sofort: Aha, der hat sich übernommen, der ist auch schon
am Ende! Sie wissen ja, was in der Gerüchteküche des Musik-Business
alles zusammengebraut wird. Aber ich widme meinen Kindern so viel Zeit
wie möglich.
Sie sind einer der wenigen Sänger aus
Deutschland, der tatsächlich Weltgeltung hat. Davon gab es mal deutlich
mehr. Und auch auf deutschen Opernbühnen sind die besten Stimmen meist
keine Deutschen mehr. Tut man im Musikland Deutschland zu wenig für den
Nachwuchs in der Spitze - oder fehlt es den Meisten schlicht an
Disziplin?
Kaufmann: Ich denke schon,
dass das staatliche Ausbildungssystem in Deutschland einige Nachteile
hat, die die Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb
behindern. Das fängt schon mit der Quantität der Unterrichtsstunden an:
Wie soll man sich bei ein bis anderthalb Gesangsstunden pro Woche
entwickeln können? Man sollte doch, wie jeder Leistungssportler auch,
die Möglichkeit haben, jeden Tag unter Aufsicht zu trainieren. Ob es an
Disziplin mangelt, kann man nur im Einzelfall entscheiden. Was mir aber
bei jungen Sängern immer wieder auffällt: Es gibt nur ganz wenige, die
innerlich "brennen", die von Musik und Poesie und Darstellung so restlos
erfüllt sind, dass sie sich dem mit jeder Faser ihres Herzens widmen.
Stört es Sie, wenn in Zusammenhang mit Ihren Auftritten vom
Opern-Beau die Rede ist? Oder schmeichelt es auch?
Kaufmann: Anfangs hat es noch geschmeichelt,
aber inzwischen nervt es mich mehr als dass es mich freut, zumal es
immer den Hintergedanken auslöst: Der ist doch nur so beliebt, weil die
meisten Leute heute mit den Augen hören. Als Sänger und Schauspieler
möchte man doch in erster Linie wegen der stimmlichen und künstlerischen
Leistung geschätzt werden
Welche Partie möchten Sie unbedingt
gesungen haben, bis Sie 50 sind?
Kaufmann: Verdis Otello.