Saarbrücker Zeitung, 30. Mai 2011
Oliver Schwambach
Restlos erfüllt von Musik 
 

Sie singen gemeinsam mit Ihrer Frau Margarete Joswig in Saarbrücken. Eine in dieser Zeit geplante Tournee mit der Met nach Japan haben Sie abgesagt. Was waren die Gründe dafür?

Kaufmann: Meine Absage geschah in erster Linie aus Rücksicht auf meine Familie, die nach den katastrophalen Ereignissen in Japan entschieden gegen meine für Juni geplante Reise dorthin votierte.

Ihre Laufbahn begann in Saarbrücken: Was haben Sie positiv wie negativ von diesem Engagement mitgenommen?

Kaufmann: Die Negativ-Erfahrung war, dass ich als Hochschulabsolvent nicht genügend vorbereitet war, um den harten Theateralltag des Anfängers zu bewältigen. Ich bin da wirklich aus allen Wolken gefallen, denn die körperliche und stimmliche Beanspruchung trieb mich an die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit. Diese Krise wiederum führte zu einer der positivsten Erfahrungen meines Berufslebens, nämlich der Begegnung mit meinem Lehrer Michael Rohdes. Bei ihm lernte ich, endlich mit der mir eigenen Stimme zu singen, statt so klingen zu wollen, wie man sich an der Hochschule einen "lyrischen Tenor" vorstellt.

Wiener Staatsoper, Scala, London, Met, Salzburger Festspiele und auch Bayreuth im Vorjahr: Sie sammeln berühmte Auftrittsorte wie der Normalbürger Briefmarken . . ..

Kaufmann: Ich sammle durchaus nicht "erste Adressen" wie andere Briefmarken, sondern reagiere auf Angebote. Und ein gutes Angebot von der Scala, der Met oder aus Bayreuth auszuschlagen wäre schlichtweg dumm.

Wenn Sie einmal auf Ihre Berufsanfänge zurückschauen, spürten Sie damals, dass das Zeug zu einer großen Karriere in Ihnen steckt?

Kaufmann: Davon hatte ich vielleicht mal während des Studiums geträumt, aber in meinen Anfängerjahren bin ich ziemlich unsanft aufgewacht, siehe oben.

Der Saarbrücker Zeit ist in Ihrer Biografie "J.K. - Meinen die wirklich mich?", die Thomas Voigt verfasst hat, ein kleines Kapitel gewidmet, das aber auch deutlich werden lässt, wie sehr gerade junge Solisten an so einem Haus gefordert sind. Hätte sich Ihre Stimme auch so entwickeln können wie sie heute ist, wenn Sie in diesem fordernden Opernbetrieb geblieben wären?

Kaufmann: Das ist schwer zu sagen. Eines weiß ich sicher: Wenn ich nicht das Glück gehabt hätte, bei Michael Rohdes stimmlich und stimmtechnisch noch mal von vorn anzufangen, dann hätte ich mir tatsächlich einen neuen Beruf suchen müssen.

Sie singen nun am 3. Juni mit Ihrer Frau Margarete Joswig: Ist so ein gemeinsames Konzert etwas Besonderes?

Kaufmann: Natürlich ist es etwas Besonderes, zumal wir nur noch selten gemeinsam auf der Bühne stehen können. Meine Frau ist mein bester und strengster Kritiker. Niemand kennt meine Stimme so gut wie sie, und niemandem vertraue ich mehr als ihr. Es ist ja so: Je höher man steigt auf der so genannten Karriereleiter, desto weniger Menschen gibt es, die einem die Wahrheit sagen. Meistens hört man: "Alles prima, wunderbar!" Und das macht einen natürlich mit der Zeit misstrauisch. Umso mehr weiß ich die absolut unbestechliche Meinung meiner Frau zu schätzen.

Ihre Frau hat der drei Kinder wegen die eigene Karriere zurückgefahren, haben Sie auch mal eine Art Elternzeit der Kinder wegen in Erwägung gezogen?

Kaufmann: Nein. Wenn ich jetzt eine "Elternzeit" nehmen würde, hieße es sofort: Aha, der hat sich übernommen, der ist auch schon am Ende! Sie wissen ja, was in der Gerüchteküche des Musik-Business alles zusammengebraut wird. Aber ich widme meinen Kindern so viel Zeit wie möglich.

Sie sind einer der wenigen Sänger aus Deutschland, der tatsächlich Weltgeltung hat. Davon gab es mal deutlich mehr. Und auch auf deutschen Opernbühnen sind die besten Stimmen meist keine Deutschen mehr. Tut man im Musikland Deutschland zu wenig für den Nachwuchs in der Spitze - oder fehlt es den Meisten schlicht an Disziplin?

Kaufmann: Ich denke schon, dass das staatliche Ausbildungssystem in Deutschland einige Nachteile hat, die die Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb behindern. Das fängt schon mit der Quantität der Unterrichtsstunden an: Wie soll man sich bei ein bis anderthalb Gesangsstunden pro Woche entwickeln können? Man sollte doch, wie jeder Leistungssportler auch, die Möglichkeit haben, jeden Tag unter Aufsicht zu trainieren. Ob es an Disziplin mangelt, kann man nur im Einzelfall entscheiden. Was mir aber bei jungen Sängern immer wieder auffällt: Es gibt nur ganz wenige, die innerlich "brennen", die von Musik und Poesie und Darstellung so restlos erfüllt sind, dass sie sich dem mit jeder Faser ihres Herzens widmen.

Stört es Sie, wenn in Zusammenhang mit Ihren Auftritten vom Opern-Beau die Rede ist? Oder schmeichelt es auch?

Kaufmann: Anfangs hat es noch geschmeichelt, aber inzwischen nervt es mich mehr als dass es mich freut, zumal es immer den Hintergedanken auslöst: Der ist doch nur so beliebt, weil die meisten Leute heute mit den Augen hören. Als Sänger und Schauspieler möchte man doch in erster Linie wegen der stimmlichen und künstlerischen Leistung geschätzt werden

Welche Partie möchten Sie unbedingt gesungen haben, bis Sie 50 sind?

Kaufmann: Verdis Otello.

 

 






 
 
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