Bild-Zeitung,  18.05.2008
Von STÉPHANIE GRIX
Ein sehr privates Gespräch mit Star-Tenor Jonas Kaufmann
Das Foyer vom „Palace“-Hotel in München. Warten auf Supertenor Jonas Kaufmann (38). An der Rezeption steht ein sportlicher Typ in ausgeblichenen Jeans. Das muss er sein. Er soll ja so gut aussehen. Der Typ hat glänzend schwarze Locken, trägt Sonnenbrille und telefoniert auf italienisch. Kaufmann, das weiß ich, spricht fünf Sprachen. Passt also.

Irrtum: Der Mann an der Rezeption dreht sich um – es ist nicht der Opernstar, sondern Fußballheld Luca Toni! Von hinten sehen sich die beiden wirklich ähnlich.

Kaufmann erscheint. Der schönste Mann der Oper ist auf Kurzbesuch in seiner Geburtsstadt und auch mal länger in Europa.

Ab Ende Mai singt er an der Staatsoper Zürich. Tagsüber hat er dort Alltag, denn in Zürich lebt seine Frau mit den drei Kindern (3, 6 und 9). „Es ist nicht einfach, mein Leben so zu organisieren, dass für die Familie auch nur annähernd genug Zeit bleibt“, sagt der Bayer. Er tut sich schwer, über dieses Thema zu sprechen. Es quält sein Gewissen. „Wenn ich unterwegs bin und ein, zwei Tage Pause habe zwischen Aufführungen, versuche ich, nach Hause zu fliegen.“ Auch, wenn die Aufführungen in Amerika stattfinden? „Nein.“ Er schüttelt die Locken. „Dann reichen auch keine drei Tage. Meine Frau und ich wissen mittlerweile, dass ein Wiedersehen von Stunden zwar mir guttut, weil ich dann das Gefühl habe, da gewesen zu sein – aber es bringt nur Unruhe in die Familie.“

Margarete Joswig ist Mezzosopranistin, kümmert sich um das Nachwuchstrio und hat bis zur Geburt des dritten Kindes noch fast voll gearbeitet. Wie schwer muss es sein für eine Opernsängerin, nur noch zuzuschauen wie ihr Mann Erfolge einfährt, die sie vielleicht auch haben könnte? „Ich bewundere meine Frau dafür, mit welch stoischer Ruhe sie das . . .“ Er sagt: „...erträgt“, verbessert sich aber sofort: „...lebt. Sie erzieht unsere Kinder ja mehr oder weniger allein.“ Die Kinder selbst sind längst daran gewöhnt, nur ihre Mama regelmäßig zu haben. „Papa Flughafen“, sagt der Kleinste schon jedes Mal, wenn sein Vater die Koffer packt. Das sind die wirklich harten Momente.

Der Tenor Jonas Kaufmann hat alles erreicht. Er könnte Pause machen vom Singen und den Vollzeit-Daddy geben, provoziere ich ihn. Eine utopische Idee?

„Nein, eine gute.“ So schnell, wie dieser Satz aus ihm herausschießt, ist klar, dass er darüber schon mal nachdenkt. Aber wirklich ernsthaft? „Ich plane es nicht, könnte es mir aber vorstellen“, weicht er aus. Zu Hause wäre dann alles anders. „Momentan steige ich ja immer wieder an einer nicht bekannten Stelle ins System ein und versuche, meinen Platz einzunehmen.“ Schwer. „Ich kann nicht ankommen und autoritär sein. Das hört sich an, als wäre etwas verschleppt worden und jetzt kommt der Chef nach Hause und muss die Fehler ausmerzen.“

Kaufmann, ganz nachdenklicher Familienvater. Eigentlich wirkt er eher wie ein italienischer Casanova.

Wären Sie gern ein Verführer?

„Verführen kann ich auf der Bühne. Da gibt es viele bildhübsche Kolleginnen, mit denen ich sehr intim sein darf – dafür werde ich auch noch bezahlt“, kontert er diplomatisch. „Das reicht.“ Schade, dass er darauf nicht persönlicher antwortet.

Seinen Fans reicht der Bühnen-Verführer nicht immer. „Ich bekomme schon deutliche Avancen.“ Dabei irritiert es Kaufmann eher, wenn ihm Frauen Sätze schreiben wie: „Ich weiß, Du singst immer nur für mich. Du schaust mich doch die ganze Zeit an.“ Er murmelt etwas von „Realitätsverlust“. Haben Sie schon mal eine Frau ins Bett gesungen?

Er lacht. Hält die Luft an. Überlegt. „Ja, meine eigene. Wir haben uns 1994 auf der Bühne kennengelernt, waren beide an der Saarbrücker Oper engagiert.“ Und dann?

„Wir hatten sofort einen Draht zueinander, wurden Freunde. Tausendmal berührt, tausendmal ist nix passiert. Zwei Jahre später haben wir uns ineinander verliebt.“

Zurück in die Gegenwart. Ab 2009 soll an der Münchner Staatsoper jedes Jahr eine neue Inszenierung mit Jonas Kaufmann ins Programm. Der Tenor überlegt, mit seiner Familie nach München zu ziehen. Aber er hat sich auch vorgenommen, längere Pausen in seinen Kalender einzubauen.

„Ich liebe meinen Beruf. Aber ich würde nie zulassen, dass er mich daran hindert, zu leben.“
 






 
 
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