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Kleine Zeitung, 24. November 2013 |
VON LUDWIG HEINRICH |
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Ein Leben in höchsten Tönen
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Spitzentenor Jonas Kaufmann über Glück, Talent, Charisma, Disziplin, Erfolg und seine souveräne Gratwanderung zwischen Wagner und Verdi.
Bei ihm passt einfach alles. Jonas Kaufmann ist jung, sieht blendend aus,
wird von Operndirektoren, Publikum und Medien gleichermaßen geliebt. Der
aktuelle Verlauf seiner Karriere gemahnt ein bisschen an Schillers
Ballade „Der Ring des Polykrates", in der der Herrscher von Samos so viel
Glück hat, dass sich sein mahnender Besucher, der König von Ägypten ("O,
ohne Grenzen ist dein Glück"), mit Grausen abwendet, um vorzeitig
abzureisen.
Aber das Glück, meint Kaufmann, muss man nehmen, wie es
ist: "Man darf es nur nicht überstrapazieren und überschätzen. Es kann ja
schneller vorbei sein, als man denkt. Zum Beispiel durch schlimme
gesundheitliche Probleme, was in meinem Beruf bedeuten würde, dass man
seinen Lebensinhalt. verliert. Das wäre schrecklich. Letztendlich, denke
ich, muss man seines eigenen Glückes Schmied sein und sich nicht in
Abhängigkeit von Ruhm und Erfolg begeben."
Die nicht einfache
Gratwanderung von Wagner zu Verdi gelingt ihm derzeit souverän. Wie er die
bewältigt? "Es kommt", erklärt er, "auf die Stimme an, auf die Technik und
auf die Vernunft. Wenn man sein Instrument überfordert, kann es natürlich
passieren, dass man diesen Spagat nicht durchhält. Bei mir ist es momentan
jedoch so, dass ich mich bei Wagner von Verdi erhole und umgekehrt. Ich bin
jedenfalls sehr stolz, dass ich diese beiden Alben ("Wagner" und "The Verdi
Album", Anm.) aufnehmen durfte. Eine Opernwelt ohne Verdi wäre völlig
unattraktiv. Mit ihm feierte ich auch meinen internationalen Durchbruch."
Mathematikstudent
Wiewohl in einer musikalischen
Familie aufgewachsen ("In meinen Kinder- und Jugendjahren lief bei uns zu
Hause Wagner rauf und runter"), entschloss er sich seinerzeit nicht für den
Sängerberuf: "Ich wollte eine künftige Familie ernähren können. Also begann
ich ein Mathe-Studium. Freilich merkte ich bald, dass diese trockene Materie
nichts für den Rest meines Lebens war. Und so machte ich die Aufnahmeprüfung
an der Hochschule in München mit Examen als Opern- und Konzertsänger. Klar
Talent muss da sein. Aber ansonsten spielen noch viele Faktoren, Zufälle und
Begebenheiten eine Rolle. Der richtige Lehrer im richtigen Moment. Der
richtige Intendant. Die Dinge kommen nicht von allein. Man muss auch fleißig
sein, sonst steht der Erfolg auf tönernen Füßen."
Zur Weltspitze
gehört jedoch noch etwas, was man nicht lernen kann: Charisma. "Charisma",
meint Jonas Kaufmann, "ja, die Bedeutung dieses Wortes habe ich erst richtig
erkannt, als ich Placido Domingo in Bayreuth im 'Parsifal' sah. Dem hat man
den jungen Burschen abgekauft, obwohl - so jung war er auch nicht mehr.
Diese wahnsinnige Energie! Da loderte ein Feuer! Diese Leidenschaft muss man
haben - und dazu frei sein im Kopf.
Disziplin und Erfolg
Freilich gehört zu allem noch etwas: Disziplin. "Unsereiner", sagt er,
"ist ja permanent auf den Körper angewiesen, mehr noch als ein Schauspieler.
Viel zu erreichen, ist nur möglich, wenn man gesund ist. Also: nicht jeden
Tag Schweinsbraten. Rauchen und Alkohol sind Gift, oder zu wenig Schlaf.
Wobei er keineswegs einer sei, der sich dauernd kasteit. Kein Bayer, der dem
Bier abgeschworen hat. "Nein, davon ist wirklich keine Rede. Die Bayern
sagen ja, dass Bier ein Grundnahrungsmittel ist. Trinke ich eines, merke ich
es am nächsten Tag gar nicht. Noch was: Ich bin davon überzeugt, dass einem
auch ein glückliches Privatleben volle Energie geben kann. Das Wichtigste
überhaupt ist, seinen Geist stets wachzuhalten. Wenn ich zum Beispiel
Tramway fahre, beobachte ich die Leute, denn all das kann ich für meine
Interpretationen verwenden. Solche Erfahrungen gehören dazu, um einen
Charakter auf der Bühne glaubwürdig darstellen zu können. Da würde ich ja
nicht die männliche Diva spielen, sondern wirklich eine sein. Abgehoben in
andere Sphären. Dass mir so was einmal passiert - das möchte ich wirklich
nicht."
Über die Bedeutung von Erfolg sagt er: „Es gibt den
objektiven, der an den Auftritten, am Publikum gemessen wird. Und den
subjektiven, also das, was man sich als Ziel gesetzt hat. Da muss man auch
immer zu sich ehrlich sein und zufrieden sein. So wird man viel entspannter
als jene, die den Teller des Nachbarn noch prächtiger finden als den
eigenen. Glück ist die Fähigkeit, das zu genießen, was man hat, nicht dem
nachzujammern, was man nicht haben kann."
Familienbande
Jonas Kaufmann ist mit der Mezzosopranistin Margarete Joswig verheiratet
und dreifacher Vater. Ein guter? Ist das in diesem Beruf möglich? Ein
Spagat, der "wahrlich nicht einfach ist, doch das ist ein Jammern auf hohem
Niveau. Für die Familie kann man nie genug Zeit haben, auch, weil die Zeit
mit ihr so schnell verfliegt. Das ist der Preis des Erfolges. Trotzdem
glaube ich, wir sind eine glückliche Familie. Ich bin zwar nicht dauernd da,
aber dennoch greifbar, in aller Welt erreichbar. Und der Familie gehört
wirklich jede freie Minute." "Und was wäre für Sie der größte Luxus?"
"Wahrscheinlich, ein paar Monate gar nicht aufzutreten."
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