Online Merker, 18.10.2019
Renate Wagner
 
CD WIEN Jonas Kaufmann
 
Von Wagner bis zur Operette ist ihm nichts Musikalisches fremd, und das ehrt Jonas Kaufmann. In einer Welt, wo alles auf „Markenzeichen“ ausgerichtet ist, könnte er etwa als Wagner-Sänger hoch bezahlt durch die ganze Welt reisen oder auch als Verdi-Interpret – und es sich leicht machen, immer dasselbe abzuziehen. Aber er hat stets neue Herausforderungen gesucht, und Cross-Over zur so genannten „leichten Muse“, die so schwer sein kann, sind ja nur eine Frage der Qualität: Gute Musik ist gute Musik, in welchem Gewand sie den Zuhörer auch erreicht.

Und da war Jonas Kaufmann schon breit unterwegs, nicht nur „klassisch“ mit dem „Italienischen Liederbuch“, sondern auch italienischen „Schlagern“ oder auch mit Berliner Songs der zwanziger und dreißiger Jahre. Man muss ja auch, wenn eine Karriere stark auf Personality-Tourneen ruht (und wer, von Netrebko bis Florez, täte das nicht?), dem Publikum immer neue Programme bieten.

Das heißt natürlich nicht, dass man sich per Mimikry jeden neuen Stil perfekt aneignen kann, das ist schier unmöglich. Und wenn Jonas Kaufmann nun unter dem Titel „WIEN“ nicht nur Operetten (was er schon getan hat), sondern auch Wiener Lieder singt, dann weiß jeder, dass es ihm nicht in die Wiege gesungen wurde, sich in den Hüften zu wiegen… und dass „Gaude“ und „Hamur“ wie Vokabel gehandhabt werden. Und doch, wenn man ihm wohl gesinnt ist, dann sind seine Versuche „in Wienerisch“ irgendwie rührend. (Und man hat den Eindruck, er hat – wenn er überhaupt Vorbilder herangezogen hat – eher dem Heltau zugehört als dem Willi Forst.)

Kaufmann, der langsam nicht mehr jung genug, um als der Opern-Rock-Star gehandelt zu werden (solche „Labels“ verdankt er den Presseabteilungen und den Journalisten, die sie willig nachbeten), ist natürlich in dem großen Operettenblock der neuen CD am stärksten: Das kann er, zumal, wenn die Operette opern-kraftvoll wird. (Und gegen seine Partnerin Rachel Willis Sorenson und ihre ausgesprochen dickflüssiges Wiener Blut wirkt er geradezu leichtfüßig.) „Schenkt man sich Rosen in Tirol“ wird da mit voller tenoraler Kraft (Gewalt?) geschmettert – aber der Carl Zeller verträgt es so wie der Strauß, der Lehar und der Kalmar, sie haben schließlich für „echte“ Tenöre geschrieben!

Aber die Diskussion entzündete sich ja anhand der Wiener Lieder, und da bekam Kaufmann, was er gar nicht gewöhnt ist, nicht die besten Kritiken. („Steril, poliert und pomadig“ urteilte das „Profil“ gnadenlos.) Natürlich, als Wiener geht er nicht durch – vermutlich nicht einmal bei seinen deutschen Landsleuten und bei den Wienern noch weniger. Locker aus dem Handgelenk wird da nichts gesungen, eher mit schwungvollem Nachdruck. Zu viel manchmal, wenn da eigentlich wienerisch gefärbtes, selbstverständliches Parlando vorgesehen ist statt „voller“ Gesang.

Aber vergessen wir nicht – das Publikum, das zur „WIEN“-Tournee kommt, das Publikum, das die WIEN“-CD kauft, tut es wegen Jonas Kaufmann – und wegen sonst gar nichts. Das „echte Wiener Lied“ (von zahlreichen Interpreten authentisch wiedergegeben) wohnt woanders und ist auch zu kaufen, wenn man das sucht.

Delikat ist die Begleitung durch die Wiener Philharmoniker unter Ádám Fischer: Hätte man es nicht gelesen, man würde nicht heraushören, dass der „Sound“ und der Sänger getrennt aufgenommen wurden. Die Technik hat sie jedenfalls perfekt zusammen gefügt.






 
 
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