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WAZ, 10.10.2019 |
Lars von der Gönna |
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Jonas Kaufmanns neue CD besingt "Wien"
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Den
Heldentenor kann er nur mit Mühe vor den Prater-Toren lassen. Jonas
Kaufmanns Album „Wien“ lässt auch die die heldische Attacke zu.
Die Diskographie Jonas Kaufmanns hat einen Umfang erreicht, der fragen
lässt, was da denn eigentlich noch fehlen soll. Es gibt Cover vor
südlichem Mauerwerk („Dolce Vita“), solche mit Vintage-Mikro („Du bist
die Welt für mich“), verträumte am Brokatbilderrahmen („Die schöne
Müllerin“) und seit dieser Woche eines mit Einstecktuch im Frack plus
vor Freude in die Luft springendem Kaufmann-Schatten.
Es heißt
„Wien“ und versammelt Ohrwürmer einer untergegangenen Zeit. Da war das
Schönste am Prater nicht die Kirmes-Sensation „Ejektion Seat“, es waren
die blühenden Bäume. Kaufmann singt Robert Stolz und Ralph Benatzky,
viel Johann Strauß II, dazu Léhar, Kálmán und am Ende gar Kreislers
Einsicht: „Der Tod, das muss ein Wiener sein.“
Fans werden das
Album dankbar in ihre Kollektion fügen. Wer Interpreten wie Richard
Tauber und (mehr noch) Fritz Wunderlich im Ohr hat, der hört skeptischer
zu. Gleich im ersten Lied („Wien wird bei Nacht erst schön“) klingt die
Höhe wulstig. An anderen Stellen ist man – trotz brillanter
Spitzeneskorte durch Wiens Philharmoniker und Adam Fischer am Pult –
hin- und hergerissen: Bei „Heut ist der schönste Tag“ stört Kaufmanns
Hang zur heldischen Attacke den luftig-heiteren Ansatz, den der Tenor
völlig zu Recht zunächst als Schlüssel zum Werk wählt. Freilich führt
der gleiche Effekt bei „Wiener Blut“ zu einem fabelhaft strahlenden
Schluss-Coup.
Am meisten zu Hause ist Jonas Kaufmann in „Wien“,
wenn er das Schlichte pflegt. Entwaffnend charmant gelingt das, als
seine Stimme ganz drucklos die Welt „Draußen in Sievering“ beschwört.
Aber aufs Ganze fällt Kaufmann die schwärmende Beiläufigkeit schwer.
Etwa bei „Schenkt man sich Rosen in Tirol“: Zellers Naturbursch, den
Vogelhändler Adam, verdonnert er in den letzten Takten zur
unbescheidenen Fanfare. Vokale Fehlfarben finden sich dagegen zum Glück
selten, nur nach Sonnenuntergang. Bei Strauß „Nacht in Venedig“ klingt
es nach „Sei mir gegrößt!“.
Kaufmanns Wien-Visite ist kein Album
für die Ewigkeit. Aber zum Heurigen, da wird’s scho irgendwie passen. |
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