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Opernglas, Oktober 2012 |
M. Lehnert |
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Wagner: Der Ring des Nibelungen - DVD, Bluray |
Der Ring des Nibelungen
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Man
konnte sie in diesem Sommer bereits in den Kinos erleben, die erste
zyklische Aufführung des neuen »Rings« der Metropolitan Opera, der nun bei
der DG auf 8 DVDs erschienen ist. Er hatte unter keinem allzu guten Stern
gestanden, offenbarte sich doch zwischen dem »Rheingold« und der »Walküre«
eine fortschreitende körperliche Gebrechlichkeit des langjährigen
musikalischen Chefs des Hauses. Diese ließ ihn dann am Ende des zweiten
Abends - anders als noch beim Schlussapplaus zum »Rheingold«, bei dem er es
zumindest noch an den Rand der Sängerschar auf der Bühne geschafft hatte, -
am Orchesterpult verharren und den lang anhaltenden Beifall mehrerer
Solovorhänge dort sitzenbleibend abwarten und entgegennehmen. Mit ihm wurde
eine ganz wunderbare musikalische Auslotung der populären »Walküre« bejubelt
und gekrönt. Ob in den Vorspielen mit ihren geschickten motivischen
Geflechten, den großen Höhepunkten, wie Walkürenritt und Feuerzauber: Das
Met-Orchester spielte um sein Leben. Dass an den beiden letzten Abenden
Fabio Luisi den Stab übernahm, ist ihm hoch anzurechnen. Der italienische
Allroundmaestro setzte dabei aufzügige Tempi. Ihm gelang eine flüssige
Wiedergabe, die es gar nicht erst versuchte, tiefere Auslotungen der dichten
musikalischen Struktur im Stile Levines zu betreiben und das Sängerpotenzial
auf der Bühne damit möglicherweise zu quälen, um gesangliche Finessen
herauszuarbeiten. Was vermutlich mit dem Siegfried auch nur sehr schwer
möglich gewesen wäre. Jay Hunter Morris scheint typbesetzt zu sein. Ein
riesiger Bursche mit viel Charisma und unverkennbarem Sexappeal, von dem
auch Debbie Voigt fasziniert gewesen zu sein scheint, wenn sie die angenehme
Arbeit mit ihrem Bühnenliebhaber im Interview beschreibt. Kurz und gut, ein
Typ, wie er naiven Klischeevorstellungen vom „germanischen Helden"
entspricht, und somit nicht ganz unwichtig für den Charakter dieser
Schlüsselpartie. In der stimmlichen Bewältigung sind in Sachen Technik und
Intonation, aber auch beiden exponierten Höhepunkten Defizite zu hören, die
am Bildschirm vor allem von einer ausgefeilten Darstellung zum Teil
wettgemacht werden können. Überhaupt ist es eine Freude, den Sängern in den
vielen Close-ups dabei zu folgen, wie sie das Gesungene mit mimischem
Ausdruck und Körpersprache unterstreichen. Das ist so perfekt und spannend,
dass nur bei wenigen (Stephanie Blythe als Fricka) Zweifel aufkommen, ob sie
wissen, was sie singen. Ansonsten ist die Personenführung klar und gut
strukturiert. Das Bühnenbild, die viel gescholtene „Maschine", tritt in
dieser wunderbaren Opern-Verfilmung niemals aufdringlich in den Vordergrund.
Obwohl zweifellos für die Sänger eine enorme zusätzliche Herausforderung und
häufige Gefahr zu verunfallen, dient sie vielfach als Projektionsfläche von
Elementen wie Feuer und Wasser oder der Natur. Regisseur und Produzent
Robert Lepage setzt sie brillant ein mit zahlreichen Effekten, die die
vielfältigen Schauplätze der umfangreichen Handlung modern und
nachvollziehbar verdeutlichen. Ihm geht es ohnehin um die Tektonik der Erde
und unserer Welt, die Ursprünge des Wagnerschen Mythos und dessen zeitlosen,
immerwährenden Allegoriecharakter. Es gibt ganz wunderbare farbliche
Naturprojektionen oder eindrucksvolle, unvergesslich stylische Bilder, wie
etwa von der Ankunft Siegfrieds auf dem Rhein mit Ross Grane vorn im
(wirklichen) Nachen. Das Wasser am Ufer wird stilisiert zum Wogen der Musik
gezeigt während der Verwandlung zu den Burgräumen der Gibichungen. Das ist
vom optischen Rahmen her technisch ganz großes ästhetisches Theater und im
Detail spannende Interaktion in den Gesichtern der Protagonisten, wovon
letztere zweifellos im großen Rund der Met nicht so zur Wirkung kommt wie
von den Kameras eingefangen. Wie in einem Kinoklassiker unserer Tage oder im
TV ist der Zuschauer in Xanten am Rhein so nah dran wie etwa auf der gerade
wiederbelebten Southfork Ranch in Dallas.
Und das, obwohl Kostüme
(Francois St-Aubin) und Physiognomie mancher Sänger im »Siegfried« (in
trefflicher stimmlicher Form Gerhard Siegel als Mime) oder die im
mittelalterlichen Wams steckende Obelix-Figur des farbenreich und klangschön
auf der Höhe seiner Kunst den Hagen singenden Hans-Peter König wiederum eher
Klischeevorstellungen von Rittersage und Märchenwelt zwischen Grimm und der
Edda assoziieren. Doch wird gerade durch diese austarierte und vollsaftig
umgesetzte Gegenüberstellung der alle Register ziehenden modernen
Bühnentechnik mit dem Naturalismus des Personals die Handlung transparent
und so spannend erzählt, dass der musikalische Bruch in dieser Produktion
recht gut kaschiert wird.
Zu den sängerischen Reizen zählen
die Besetzung des Siegmund mit Jonas Kaufmann und der sehr schön
timbrierte und wunderbar singende Eric Owens als Alberich. Entdecken kann
man mit Wendy Bryn Harmer zunächst als Freia und dann sogar schon etwas
weiter gereift als Gutrune eine mögliche neue jugendlich dramatische
Sängerin. Einfach gebannt sein muss man von Bryn Terfel, dessen dominante
Wotanfigur von James Levine mit Tempo und Takt in Wotans Abschied noch
einmal zu ganz besonderen stimmlichen Höhepunkten herausgefordert wird. Er
durchschreitet die Entwicklung des Gottvaters bis zur Resignation des
Wanderers musikalisch in allen Nuancen, sodass es eine Freude ist, ihm beim
Einlösen jenes langjährigen Versprechens zuhören zu dürfen, das diese
Ausnahmestimme schon immer geweckt hat, lange bevor sich der Waliser an
diese Partie gewagt hat. Deborah Voigt ist eine Langstreckenläuferin, was
die musikalische Karriere angeht, der man diesen medial verwerteten »Ring«
ebenfalls von Herzen gönnt. In der »Walküre« findet sie zu einer überaus
präzisen und glanzvoll auf den Punkt gesungenen Interpretation. Man scheint
zu spüren, dass sie in dieser Vorstellung für Levine und die Welt singt.
Auch im »Siegfried« weiß sie über weite Strecken so vorbildlich zu
phrasieren, dass zwei Probleme mit der Stütze („Ewig war ich"oder das
Schluss-C) nicht so stark ins Gewicht fallen sollten. Souverän wirkt ihre
»Götterdämmerung«, wenngleich die Erwähnung einer Brustentzündung
unmittelbar vor diesem Debüt in einem Interview innerhalb eines der vielen
Specials, die die Entstehung und Aufführung dieser Inszenierung begleiten
(Bonus-DVD „Wagner's Dream"), ein Erklärungsgrund für etwas weniger
Stimmglanz als noch in der »Walküre« sein könnte.
Dennoch: Ton-, aber
vor allem die Bildproduktion (HD) sind ein Genuss.
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