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Merkur, 01.03.2024
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Von: Markus Thiel
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„Parsifal“-Neuaufnahme: Mustermann des Wagner-Gesangs |
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Mit
Startenor Jonas Kaufmann wird eine Wiener Neueinspielung von Wagners
„Parsifal“ beworben. Doch der alles und alle überragende Sänger ist Georg
Zeppenfeld als Gurnemanz.
Keine lüsterne Hochdramatische im
Flower-Power-Kleid, wie’s die Traditionalisten gern haben: Diese Kundry ist
Investigativjournalistin und greift schon mal zur Knarre. Auch weil überall
die Gefahr lauert in diesem russischen Straflager, wo der Titelheld später
sein Erlösergeschäft ziemlich routiniert erledigt und Gralsritter Gurnemanz
die Mithäftlinge tätowiert. Viel Autobiografisches schwang mit in dieser
Wagner-Inszenierung an der Wiener Staatsoper, die Regisseur Kirill
Serebrennikov (damals noch an Russland gefesselt) nur per Videocalls
vorbereiten konnte. Doch des Digitalen nicht genug: Dieser prominent
besetzte „Parsifal“ kam im April 2021 im Lockdown nur als Stream-Premiere
heraus. Die Publikumspremiere folgte im Dezember darauf, dann schon mit
anderen Sängerinnen und Sängern.
Was nun auf vier Silberscheiben
erscheint, ist gewissermaßen der Soundtrack dazu. Und ohne die
ungewöhnlichen, beklemmenden Bilder tritt naturgemäß noch stärker zutage,
wie stark damals die musikalische Fraktion unterwegs war. Zumal die
Gesangsriege dank der Mikrofontechnik sehr plastisch heraustritt und man
auch beim Hören des Staatsopernorchesters fast jede Note mitstenografieren
kann.
Elina Garanča singt ihre erste Kundry Für einen frühen
Höhepunkt sorgt Gurnemanz. „Ihm neigten sich in heilig ernster Nacht…“,
singt Georg Zeppenfeld rund 20 Minuten nach Beginn, und man muss innerlich
niederknien vor ihm. Dass dieser Bassist gerühmt wird für seine
Wortverständlich, passiert ja ständig. Aber hier hört man exemplarisch, was
Zeppenfeld zum singulären Fall des Wagner-Gesangs macht. Die musterhafte
Verbindung von Deklamation, Textbewusstsein und Legato-Phrasierung. Jedes
Wort, jede Silbe hat Gewicht, und doch wird alles zusammengefügt zu
flexiblen, belcantesken Bögen. Nichts wird forciert oder verzerrt. Wie ein
ins Monumentale geweitetes Lied, ohne dass etwas ausgestellt oder doziert
wird. Und irgendwann beschleicht einen die Frage: Ob der Gurnemanz jemals so
vollkommen auf CD gebannt wurde?
Bei Elina Garanča treibt nicht nur
das Outfit der kühlen Reporterin, sondern auch der Gesang ihre erste Kundry
weg vom Klischee. Keine vokale Grimasse, kein dramatischer Überschuss. Es
ist eine stimmlich ausgeglichene Gestaltung ohne Äußerlichkeit. Immer
kontrolliert, immer textbasiert. Problem ist nur, dass Dirigent Philippe
Jordan seiner Kundry alle Verführungszeit der Welt gönnt. Während Jordans
„Parsifal“-Deutung in den Gurnemanz-Passagen tatsächlich Konversationsstück
ist, darf sich Kundry jede Silbe auf der Zunge zergehen lassen. Jordan ist
am besten, wo sein Wagner wie selbstverständlich wirkt, wo er
kapellmeisterlich um Scharnierstellen und Details weiß.
Dirigent
Philippe Jordan neigt zum Verbremsen Doch dann gibt es diese anderen
Momente. Die Gralsenthüllungen zum Beispiel, das Vorspiel zum dritten
Aufzug, die Wiederkehr Parsifals, wo Jordan die Partitur überfordert und
alles abbremst, als ob er gar nicht mehr genug kriegen kann von der
Partitur. Ein Lustmusiker auf Spuren eines Kollegen, doch sind das falsch
verstandene Thielemannismen.
Ludovic Tézier schlägt sich als Neuling
im Wagner-Fach hochachtbar. Ein kerniger, zur Überprononcierung neigender
Amfortas mit dunklem Baritonstrahl, im ersten Monolog übersteuert Tézier die
Intonation auch. Wolfgang Koch ist als Klingsor eine sichere Bank. Und der
Star der Produktion kann sich gegen all das nur schwer behaupten. Sicher,
der Parsifal ist ohnehin eine kurze Partie. Doch ein paar mehr Dimensionen
hätte Jonas Kaufmann seinem reinen Toren schon abgewinnen können. Der
markige, holzige Klang, die druckvolle Emotion, das ist effektvoll. Und doch
scheint es, als ob sich Kaufmann von Momentaufnahme zu Momentaufnahme
hangelt. Als dieser Parsifal von einem triumphierenden Gurnemanz zum König
gesalbt wird, ertappt man sich bei Lästerlichem: Ob da versehentlich die
Rollen vertauscht wurden?
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