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Augsburger Allgemeine, 29.02.2024 |
VON STEFAN DOSCH |
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CD-Kritik: Ein neuer "Parsifal" mit Startenor Jonas Kaufmann |
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Eine Produktion von Richard Wagners
"Bühnenweihfestspiel" macht neugierig dank des illustren
Interpretenaufkommens. |
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Die
Schlagzahl der Veröffentlichung neuer Operngesamtaufnahmen im rein
akustischen Format ist extrem gesunken. Mehreres gibt dafür den Ausschlag.
Zum einen, dass mit DVD und Blu-ray die für die Oper so wichtige Schauseite
mitgeliefert werden kann, eine Komponente, die der CD natürlich fehlt. Zum
anderen ist mit dem Streaming, ob nun rein im Audioformat oder eben
inklusive des bewegten Bildes, ebenfalls erhebliche Konkurrenz erwachsen.
Eine neue Opernproduktion auf CD fällt also durchaus ins Auge, noch dazu,
wenn es sich um Richard Wagners "Parsifal" handelt und das Album mit
illustrer Besetzung locken kann. Um den Dirigenten Philippe Jordan am Pult
der Wiener Philharmoniker scharen sich Elina Garanca, Georg Zeppenfeld,
Ludovic Tézier, Wolfgang Koch und - in der Partie des Titelheldem – Jonas
Kaufmann. Im April 2021 wurde Wagners letztes Bühnenwerk bei zwei
Aufführungen in der Wiener Staatsoper mitgeschnitten (Sony classical).
"Meine Deklamation ist zugleich Gesang und mein Gesang Deklamation", war
die Devise Wagners in der Frage, wie Sängerinnen und Sänger mit der Führung
ihrer Stimme zu verfahren hätten. Geschmeidiger Gesang also. Wie verhält es
sich damit im neuen "Parsifal"? Beginnen wir mit derjenigen Figur, die in
Wagners auf dem Grals-Mythos basierenden "Bühnenweihfestspiel" das größte
Quantum zu bewältigen hat, mit Gurnemanz, dem die wichtige Funktion zukommt,
die Vorgeschichte des Dramas zu erzählen. Georg Zeppenfeld ist ein
Interpret, der weit mehr zu leisten vermag, als lediglich einen Bericht
abzuliefern; er ist immer auch Mitleidender mit Amfortas und dessen
Geschick. Kraftvoll-voluminös und doch flexibel Zeppenfelds Bass, selbst
dort, wo es in unangenehme Höhe geht.
Ludovic Tézier ist ein
Gralskönig in unbändiger Verzweiflung Auch Ludovic Tézier verfügt über
Stimmpracht, ganz dem Schmerz der nie versiegenden Wunde ergeben ist sein
Amfortas. Tézier zeichnet ein erschütterndes Rollenporträt des leidenden
Gralskönigs, auch wenn ab und zu ein wenig viel Verzweiflungsgeste in die
Stimme gelegt ist. Wolfgang Koch ist sein stimmlich nicht weniger mächtige
Gegenspieler Klingsor in einer der typisch kleingliedrigen
Wagner-Charakterpartien. Auch ein Wagner-Routinier wie Koch vermag da nicht
durchgängig ohne Überartikulierung auszukommen.
Elina Garanca war im
vergangenen Jahr in Bayreuth eine Sensation als Kundry, und auch schon zwei
Jahre zuvor bei ihrem Rollendebüt ist sie außergewöhnlich. Der
Mezzosopranistin gelingt es, den oft ausfransenden Kundry-Text in einen
Sinnzusammenhang zu bringen und obendrein noch betörend zu singen:
dunkel-geheimnisvoll gegenüber den Gralsrittern, exaltiert glitzernd
angesichts der Zumutungen Klingsors, schmeichelnd und lockend in der
Verführung Parsifals, und das alles nie vordergründig.
Jonas
Kaufmanns Parsifal ist alles andere als ein Jung-Siegfried Jonas Kaufmann
vollzieht die Wandlung Parsifals von "reinen Toren" zum "Welthellsichtigen"
glaubhaft, macht dabei angenehm sparsam Gebrauch von heldischen Tönen. Erst
als Kundry Parsifal entzündet, lässt Kaufmann das tenorale Feuer
aufflackern. Kein stürmischer Jung-Siegfried tönt da im Gralsgebiet,
vielmehr singt Kaufmann mit eingedunkeltem Timbre den Parsifal stets im
(zunächst vorbewussten) Wissen um den Ernst des anstehenden Erlösungswerks.
Auch wenn Philippe Jordan die Tempi oft etwas arg langsam ansetzt, die
Spannung reißt in diesem "Parsifal" nie ab dank des herausragenden Ensembles
und des suggestiv musizierenden Wiener Orchesters mitsamt machtvollem Chor.
Übrigens war für die damalige Inszenierung Kirill Serebrennikov
verantwortlich, im Booklet ist ihm Gelegenheit gegeben, seine Sicht der
Handlung darzulegen. Dass die CD keine Visualisierung bieten kann, vermisst
man nicht.
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