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Badische Zeitung, 16. Juli 2020 |
Von Georg Rudiger |
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Dieser "Otello" ist sein "Otello" |
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Die
Zeit der langen Opernaufnahmesitzungen in Studios und Konzertsälen mit
prächtigem Staraufgebot ist schon lange vorbei. Zu teuer die
Produktionskosten, zu gering das potenzielle Käuferinteresse. Umso höher zu
schätzen ist das Engagement von Sony im vergangenen Sommer in Renzo Pianos
prächtiger Philharmonie in Rom. Und, ja, eine neue "Otello"-Gesamtaufnahme
ist nicht einmal ein Luxus: Verdis vorletzte Oper ist in der Konserve
vorwiegend mit den großen Namen von einst besetzt. Die Frage, ob ein Jonas
Kaufmann dem Vergleich mit Jon Vickers, Mario del Monaco oder auch Placido
Domingo standhalten kann, wird beim Anhören der neuen CD schnell obsolet.
Die Aufnahme besticht in ihrer Gesamtheit, und das ist vor allem das
Verdienst Antonio Pappanos und "seiner" großartigen Orchestra dell’Accademia
Nazionale di Santa Cecilia. Der 60-jährige Brite ist ein
Theaterkapellmeister allerhöchsten Ranges – ganz gleich ob er in der ersten
Szene die Meeresgischt aufspritzen lässt oder das Paar Desdemona-Otello in
die Dunkelheit der Nacht begleitet: Derlei plastisches Musizieren imaginiert
perfekt die Szene. Und die Sänger machen mit. Carlos Álvarez ist ein
mächtiger, dämonischer Jago, Federica Lombardi eine zarte, zerbrechliche
Desdemona, deren "Ave Maria" in seiner Schlichtheit betört. Ob die Aufnahme
als Kaufmann-"Otello" fortleben wird? Trotz aller Kontroversen um seine
Stimme: Der Münchner Tenor vereint in seinem dunklen Timbre Italianità mit
deutscher Heldengesangskultur. Mit seiner exzellenten Technik erobert er die
Höhen, nicht spielend, aber mit Kultur. Und der Zwiespalt der von Eifersucht
geplagten Figur – er wird hörbar. Ergreifend..
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