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Dreh Punkt Kultur, 24/06/20 |
VON ANDREAS VOGL |
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„Von wegen farbloser Otello |
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HÖRVERGNÜGEN / OTELLO |
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Jonas
Kaufmann unter Antonio Pappano in einem sensiblen Rollenportrait
Können Sie sich noch an das CD-Plattencover der Karajan’schen Otello-
Aufnahme mit Mario del Monaco bei DECCA erinnern? Dem temperamentvollen
Sänger, gestylt mit Afro-Schneckerlfrisur, Macho-Bart und goldenem
Ohrgehänge, ist die Eifersucht ins dunkelgefärbte Gesicht geschrieben. Das
Bild entsprach dem Höreindruck: gestählte Stimme, dramatische Höhe mit
imposantem Nachdruck. Gänsehaut und Respekt einflößend.
Im Vergleich
das Cover der neuesten Studio-Einspielung der Oper unter Antonio Pappano mit
dem Tenor der Jetzt-Zeit Jonas Kaufmann bei SONY: Stolzer Blick, jedoch
nachdenklich. Graumelierter Drei-Tages-Bart. Nicht kostümiert, sondern in
schlichtem schwarzen Hemd. Die Gesichtsfarbe dem undefinierten Hintergrund
bräunlich-beige angeglichen. Von Otello, dem eifersüchtigen dunkelhäutigen
Feldherren keine Spur. In Zeiten von „Black Lives Matter“ muss die
klischeehaft plakative Darstellung eines vom Schicksal gebeutelten Schwarzen
dem inneren Drama weichen. Ist eh alles Verkaufstaktik und Marketing - drum
konzentrieren wir uns auf die Musik.
Hier kommen wir Otello auf
vielschichtige Weise näher. Diese Oper ist eigentlich Verdis Meisterwerk und
doch das für den Komponisten untypischste Werk. Mit Otello ist ihm die Kopie
Wagners endgültig unterstellt worden: Durchkomponiert ohne rezitativische
Unterbrechung, der Orchesterklang groß ausgearbeitet mit leitmotivischen
Elementen. Die Stimme des Sängers der Titelpartie erfordert weniger – im
wörtlichen Sinne Belcanto – sondern ausdrucksstarken heldischen Gestus.
So kennen wir Otello: Hören Sie sich einfach mal verschiedene
Esultate-Stellen früherer Interpreten durch: Lauri Volpi, Mario del Monaco,
Jon Vickers, Placido Domingo! Auch Kaufmann hat Pepp in der Stimme, jedoch
liegt ein seltsamer Schleier drüber, baritonal gefärbt, der uns in gewissen
Stellen („Dio mi potevi“ im dritten Akt oder in der Todesszene am Schluss)
zu tristanesken, äußerst resignativen Assoziationen führt. Das macht den
eigentlich bei Wagner richtig genialen Sänger Kaufmann (Tristan und
Tannhäuser kommen bald) für Otello total passend.
Pappanos
durchsichtiges Dirigat mit dem Orchester der Accademia di Santa Cecilia Rom
bietet einen genialen Soundteppich. Die großartige Sopranistin Federica
Lombardi (in Salzburg als Donna Elvira hoffentlich bald erlebbar) hat eine
wunderbare Desdemona-Stimme. Und Carlos Alvarez beweist einmal mehr (er war
bereits in zwei Salzburger Produktionen der Oper unter Muti und Thielemann
dabei) was für einen abgrundtief hasserfüllten Bösewicht Jago er mit seinem
noblen Bariton interpretieren kann.
Cholerische Macho-Otellos
weichen eben nun, in Zeiten von verbotenen Mohrenköpfen und ethischen
Gleichheitsprinzipien, einem sensiblen, dennoch musikalisch packendem
Rollenbild. Bravo Kaufmann! Bravo Verdi! Hören Sie selbst!
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