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Abendzeitung, 21. September 2023 |
Michael Bastian Weiß |
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Ins Mikrofon geschmeichelt |
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Das
neue Album "The Sound of Movies" von Jonas Kaufmann
Ein
schillernder Begriff aus der amerikanischen Unterhaltungswelt, der
hierzulande kaum gebräuchlich ist, ist das "Crooning". Mit dem Aufkommen
technischer Verstärkung in den 1930er Jahren musste ein Sänger nicht mehr
durch Stimmkraft allein den Saal füllen, sondern konnte zärtlich direkt in
das Mikrophon schmalzen.
"King of the Crooners" hätte Jonas Kaufmann
auch treffender sein aktuelles Album "The Sound of Movies" nennen können,
denn dass die hier versammelten Melodien allesamt in Filmen zu hören sind,
ist zweitrangig. Hier geht es darum, welchen der Schmachtfetzen der Tenor am
schmusigsten aus den Lautsprechern träufeln lassen kann.
Auch wird
leicht enttäuscht sein, wer genuine Filmmusik erwartet: Weit mehr als eine
Handvoll der Nummern stammt aus Bühnenstücken, die erst nachträglich
verfilmt wurden, etwa das von Kaufmann sentimental angeschliffene "You'll
Never Walk Alone" aus "Carousel", einem Broadway-Musical von Rodgers und
Hammerstein, genauso wie "Maria" aus Leonard Bernsteins "West Side Story".
Die grandios geschmetterte "Serenade" komponierte Sigmund Romberg für die
amerikanische Operette "The Student Prince"; der Walzer "Sobre las olas" des
Mexikaners Juventino Rosas, von Kaufmann zu einer beeindruckenden
Bravournummer gemacht, ist ein Stück Salonmusik, das man nicht nur aus dem
Mario Lanza-Vehikel "Der große Caruso" kennt, sondern auch als Wiegenlied
aus zahllosen Cartoons wie "Tom und Jerry".
Was alle Evergreens
dieses Programms gemeinsam haben, ist, dass sie von Jonas Kaufmann,
eingebettet in ausladende Orchestrierungen, ausnahmslos als Romanzen in das
Mikrophon geschmeichelt werden. Stimmlich ist der Münchner bestens in Form:
Sein gedecktes Timbre macht die Tiefe sonor und die Höhe selbst für Menschen
genießbar, denen eine klassisch ausgebildete Stimme suspekt ist. Emotional
reißt sich der gebürtige Münchner mannhaft zusammen und bleibt, auch, wenn
das Legato sämig fließt wie Honig, selbst in solchen Tränenkanalkitzlern wie
"Where Do I Begin" aus "Love Story" oder der Ennio-Morricone-Nostalgie von
"Once Upon a Time in America" tapfer und gefasst.
Quasi als Ausgleich
verzieht er auch in eher unernsten Nummern wie "Edelweiß" aus "The Sound of
Music", oder, wenn ihn die Arrangeure in Sängerknabenhöhen schicken wie in
"Moon River", keine Miene. Sein Pfeifen in "Strangers in the Night" ist zwar
eher gewissenhaft als übermütig, aber wer hätte gedacht, dass Kaufmann so
gut summen kann wie am Anfang des vor Bedeutsamkeit bebenden "Conquest of
Paradise" von Vangelis? Einzig und allein "What a Wonderful World" nimmt der
Rezensent Jonas Kaufmann nicht ab, abgesehen davon, dass dieser Song in
"Good Morning, Vietnam" als ätzender Kontrast zu den Gräueln des Krieges
eingesetzt wird: Was Louis Armstrong konnte, kann auch der geschmeidigste
der heutigen Crooner nicht. |
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