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Oper, Oktober 2017 |
Franziska Stürz |
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L'Opéra - CD des Monats |
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Jonas
Kaufmann fühlt sich im französischen Fach wohl wie kaum ein
anderer deutscher Tenor. Mittlerweile ist ihm das Idiom in
Fleisch und Blut übergegangen und enorme Erfolge auch an der
Pariser Oper bestätigen, dass hier ein Sänger seine
künstlerische Heimat gefunden hat. Ja, er kann auch Verdi,
Puccini und Wagner, und bediente in seinen letzten Aufnahmen das
populäre Latin-Lover-Image. Aber erfreulicherweise kommt nun
eine CD mit ausschließlich französischen Opernarien und Duetten
aus der Zeit der Grand opéra heraus, mit denen die steile
Karriere des Sängers begonnen hat. Partien wie Wilhelm Meister,
Werther, Don José und Faust machten Kaufmann international
berühmt. Alle Werke auf der CD entstanden zwischen 1835 und 1893
für die Pariser Oper, die damals das Zentrum der europäischen
Musikkultur war. Die Aufnahme enthält neben Tenor-Hits auch
viele Szenen heute selten gespielter Opern, denen sich Kaufmann
zusammen mit dem Bayerischen Staatsorchester unter Bertrand de
Billy mit großer Hingabe widmet.
Anrührend zärtlich
eröffnet Romeos Liebesarie von Gounod den Reigen, gefolgt von
Massenets Werther. Der klingt aus Jonas Kaufmanns Kehle
mittlerweile nicht mehr wirklich jung, aber leiden kann er dafür
mit umso größerer Intensität. Die enorme Flexibilität und
Strahlkraft des Bayerischen Staatsorchesters überraschen in
allen Titeln dieser Aufnahme und scheinen den Sänger regelrecht
beflügelt zu haben. In den schlichten, innigen Arien, wie der
des Wilhelm Meister aus Ambroise Thomas´ Mignon, als Mylio in
Lalos Le roi d´Ys und in der Arie des Vasco in Meyerbeers
L´Africaine überzeugt Kaufmann mit künstlerischer
Gestaltungskraft und vokalen Feinheiten. Die Erwartung des
großen Duetts aus Bizets Perlenfischern mit Bariton Ludovic
Tézier wird mit dem vorangestellten langen Rezitativ gesteigert,
dann aber durch gepresste Tongebung etwas enttäuscht. Auch in
der Hoffmann-Arie wirkt der Tenor leicht angestrengt. In den
Duetten mit der verführerisch schön klingenden Sonya Yoncheva
als Manon sind dagegen die Liebhaber-Qualitäten seines Tenors
wieder voll entfaltet, und das dramatische Duett aus dem dritten
Akt ist einer der Höhepunkte der Aufnahme.
Weitere sind
die bedrückend-düstere Arie des Éléazar aus Halévy´s La Juive,
in der Kaufmanns Timbre perfekt zur Geltung kommt. Im Anschluss
berührt die sanfte Faust-Arie aus La damnation de Faust von
Hector Berlioz, den Kaufmann auch schon an der Pariser
Bastille-Oper gegeben hat. Um seine heldischen Fähigkeiten nicht
in den Schatten zu stellen, endet die Aufnahme dramaturgisch
geschickt mit Aeneas´ großer Szene aus Les Troyens, einer
Partie, die Kaufmann leider bislang noch nicht auf der Bühne
verkörpert hat. Die Sturm und Drang-Zeiten des deutschen
Startenors mögen allmählich vorbei sein, seine stimmliche und
künstlerische Energie findet in diesem Repertoire zwischen
Opulenz und Eleganz, zwischen deutschem Tiefsinn und
französischem Charme trotzdem noch immer optimale
Entfaltungsmöglichkeiten. Die spannende Zusammenstellung der
Titel, ihre perfekte musikalische Darbietung im Zusammenspiel
mit dem von Bertrand de Billy hervorragend geleiteten
Bayerischen Staatsorchester und die spürbare Begeisterung des
Tenors für diese Musik machen „L´Opéra" zu einem der wohl besten
Alben von Jonas Kaufmann.
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