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Abendzeitung, 15.09.2017 |
Redaktion Kultur |
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Jonas Kaufmann: Er lässt partout nichts aus |
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Auf seinem neuen Album "L'Opéra" begibt sich Münchens Starttenor Jonas Kaufmann auf schwieriges Terrain - nach Frankreich. |
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Der
Hype um ihn ist gewaltig. Für München gilt das in besonderem
Maße. Hier wurde Jonas Kaufmann geboren, und umso größer ist
sein Fanclub. Wer ein allzu kritisches Wort über den Tenor
verliert, dem droht die Steinigung. Gleichwohl ist auch bei ihm
nicht alles Gold, was glänzt, und dies offenbart auch sein neues
Album. Unter dem recht banalen Titel "L'Opéra" vereint es Arien
aus dem französischen 19. Jahrhundert, begleitet vom Bayerischen
Staatsorchester unter Bertrand de Billy.
Mit dieser
Sammlung setzt Kaufmann seine discografische Weltreise fort. Sie
führte ihn bereits durch die deutsche Romantik und nach Italien.
Und jetzt eben nach Frankreich: Denn wie andere Sänger ist auch
Kaufmann der Meinung, er könne alles singen. Sicher ist, dass er
den spezifischen Klang der französischen Sprache stilsicher
einfängt. Es ist den Arien anzuhören, dass er sich ernsthaft mit
der Diktion und Artikulation auseinandergesetzt hat.
Dabei offenbart der "Werther" von Jules Massenet, wie sehr die
historische Aufnahme mit Georges Thill aus dem Jahr 1931 zum
Vorbild avancierte. Dies betont auch Kaufmann im Beiheft.
Indessen macht die "Werther"-Arie "Pourquoi me réveiller, ô
souffle du printemps?" auch hörbar, wie sehr sich seine Stimme
in den vergangenen Jahren verändert hat. Schon in der
Kaufmann-Box "It's me" (Decca) ist diese Arie vertreten. Heute
klingt es in der zarten Höhe matter.
Mit einer Stimmkrise
hat das gar nichts zu tun: Seit der Umstellung 1996 zum
baritonal gefärbten Tenor wurde dies zusehends zum Merkmal
seines Timbres. Für Kaufmann waren der "Werther" sowie die
ebenfalls vertretene "Carmen" von Georges Bizet die Türöffner
für die große Bühne Frankreichs. Generell ist die Auswahl der
Arien sehr persönlich, weil sie zentrale Stationen seiner
Laufbahn nachvollzieht.
So markierte seinerzeit die
Brüsseler Produktion der "Damnation de Faust" von Berlioz 2002
die erste Zusammenarbeit mit dem großen Dirigenten Antonio
Pappano. Zehn Jahre später sollte Kaufmann unter Pappano in
London die Partie des Énée gestalten, aus "Les Troyens" von
Berlioz. Dieses Projekt konnte der Sänger nicht realisieren,
dafür jetzt die große Szene "Inutiles regrets!". Das
Staatsorchester wuchert förmlich mit Klangfarben
Auch die
Partner wurden für die CD sorgsam ausgewählt. Mit dem Bariton
Ludovic Tézier singt Kaufmann das Duett "Au fond du temple
saint" aus den "Perlenfischern" von Bizet, und die Sopranistin
Sonya Yoncheva begleitet ihn bei den Duetten aus Massenets
"Manon". Beide zählen zu den bevorzugten Duo-Partnern von
Kaufmann. Als Student in den Zwanzigern hatte er schließlich den
Mylio aus "Le Roi d'Ys" von Éduard Lalo gesungen. Dies war seine
allererste Begegnung mit der französischen Oper.
Es ist
löblich, dass Kaufmann auch diese Opernrarität dokumentiert.
Damals aber als Student hatte er noch eine helle, leichte Höhe.
Leider fehlt sie ihm heute, und dies ist das zentrale Dilemma
der CD. Im Forte entwickelt Kaufmann eine unerhört strahlende,
dramatische Präsenz. Wo jedoch im stillen, zarten Piano ein
filigraner Klangzauber glitzern sollte, bleibt es etwas
gepresst. Die feine Höhe strengt ihn an, und im gaumigen Timbre
kann sich die nuancenreiche Luzidität kaum entfalten.
Ob
Charles Gounod ("Romeo et Juliette") und Jacques Offenbach
("Hoffmann"), Giacomo Meyerbeer ("L'Africaine"), Fromental
Halvévy ("Die Jüdin") oder Ambroise Thomas ("Mignon"): Stets
erhärtet sich dieser Eindruck. Das ist umso bedauerlicher, als
das Bayerische Staatsorchester unter de Billy im Piano überaus
klangsinnlich agiert. Hier werden Kaufmann überreiche
Klangfarben geboten, die er leider kaum aufgreift.
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