Im Jänner 2010 war es, da sind Jonas Kaufmann und Ludovic Tézier zum
ersten Mal gemeinsam auf der Bühne gestanden. Es war die Premiere von
Massenets „Werther“ an der Opéra National de Bastille. Ich war in der
Premiere dieser szenisch, ästhetisch und musikalisch so unvergesslich
poetischen Produktion (Regie: Benoit Jacquot; Dirigent: Michel Plasson).
Es war das Rollendebüt von Jonas Kaufmann an der Seite der Charlotte von
Sophie Koch. Anne-Catherine Gillet glänzten als Sophie und Ludovic
Tézier als Albert. Bei DECCA ist ein empfehlenswerter Filmmitschnitt als
DVD/Blu-ray erschienen.
Etwas mehr als 11 Jahre später trafen die
beiden vom lyrisch-romantisch französischen Fach zum heldisch
italienischen Fach gereiften Sänger in Rom, genauer im Auditorium Parco
della Musica, auf das Orchestra dell‘Accademia Nazionale di Santa
Cecilia unter der musikalischen Leitung von Antonio Pappano, um
dramatische Duette von Giuseppe Verdi und Amilcare Ponchielli
aufzunehmen. Eine gelungene, aber ein wenig nostalgische Reminiszenz an
ihre Anfänge bildet das erste Duett des Albums aus dem vierten Akt von
Puccinis „La Bohème“ zwischen Marcello und Rodolfo.
Vielleicht
eine Kostprobe auf Kommendes? Das Duett des Barnaba und Enzo Grimaldi
aus dem ersten Akt von Amilcare Ponchiellis Oper „La Gioconda“: Hier
prallen zwei ziemlich beste Feinde aufeinander in einem
Liebesverwirrspiel, in dem sich die Titelheldin am Ende ersticht, um
nicht dem brutalen Barnaba in die Hände zu fallen.
Der
gewichtigste Teil der CD ist den großen Duetten aus den Verdi-Opern „Les
Vêpres siciliennes“, „Don Carlos“ (Kaufmann Salzburger Festspiele 2013;
erhältlich auf DVD/Blu-ray), „La forza del destino“ (Kaufmann/Tezier
München Dezember 2013; erhältlich auf DVD, Blu-ray) und „Otello“ (Royal
Opera House Covent Garden 2017, Studio 2019) gewidmet. Letztere drei
Opern hat Jonas Kaufmann bereits mehrfach auf der Bühne bzw. Otello auch
im Studio gesungen. Er muss sich hier daher an seinen eigenen Leistungen
messen lassen. Kaufmanns Stimme ist noch baritonaler geworden, die
Forte-Höhen gleißen stählern und beeindrucken durch Kraft und Stamina.
Was Geschmeidigkeit, Leichtgängigkeit, Decrescendi, die fließende
Bewältigung der Übergänge anlangt, so bleiben Kaufmanns Aufnahmen von
„Don Carlos“ und „La forza del destino“ aus dem Jahr 2013 sein
persönliches Non plus Ultra. Allerdings ist das Duett aus „Otello“ auf
der neuen CD dem Studiomitschnitt an stimmlicher Urgewalt der
Kontrahenten weit überlegen. Nicht zuletzt auch, weil Ludovic Tézier als
Jago (Rollendebüt an der Wiener Staatsoper 2021 an der Seite von Gregory
Kunde als Otello) ohne stimmliche Limits derzeit wohl der beste
Rollenvertreter weltweit sein dürfte.
Raritätensammler als auch
Fans der beiden stimmgewaltigen Stars dürften eine große Freude mit den
beiden spannenden Duetten aus Verdis Oper „Les Vêpres siciliennes“
(erster und dritter Akt) in der französischen Originalfassung haben.
Ein hoher Reiz der CD besteht darin, dass die beiden Künstler
offenbar musikalisch und auch menschlich auf einer Wellenlänge agieren.
Die Aufnahmen sind atmosphärisch dermaßen dicht und voll packender
Bühnenluft, dass es sich auch um Live-Mitschnitte handeln könnte.
Ludovic Tézier ist auf dem Zenit seines Könnens. Sein kerniger,
dunkel timbrierter Heldenbariton fließt in allen Lagen samten üppig und
ausgeglichen. Die luxuriöse Stimme spricht mit großer Leichtigkeit an,
dynamisch kann er die zartesten Pianissimi und ereignishafte Fortissimi
in den Dienst einer wahrhaftigen Interpretation der Figuren stellen.
Jonas Kaufmann kann im direkten Vergleich nicht (mehr) auf dieselbe
Selbstverständlichkeit und spielerisch funktionierende Tonproduktion
zurückgreifen. Dafür legt er – ohne sich im Mindesten zu schonen – drauf
los, als gäbe es kein Morgen mehr. Kaufmann vermag im harmonischen
Miteinander (Don Carlos, Posa) bzw. den knallharten Auseinandersetzungen
mit seinem Bariton-Kontrahenten faszinierend charaktervolle
Rollenporträts formen.
Der berühmte Traditions-Klangkörper aus
Rom und der alle Dramatik der eingespielten Szenen auskostende
großartige Operndirigent Antonio Pappano sorgen für allerhöchstes
Orchester-Niveau. Die Tonqualität ist erstklassig, die Stimmen scheinen
sehr natürlich eingefangen.
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