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Der Neue Merker |
Dr. Ingobert Waltenberger |
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FIDELIO – Salzburger Festspiele 2015
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Ludwig van Beethoven: FIDELIO – Salzburger Festspiele 2015 – Sony
DVD/BD (Bluray Disc) – Dekonstruktivismus im Salon des Unterbewussten,
filmisch aufgepäppelt |
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Viel ist geschrieben worden nach der Salzburger
Premiere im letzten Sommer. Ohne gesprochene Dialoge muss dieser Fidelio
unter der szenischen Leitungvon Claus Guth auskommen, ersetzt durch
Geräuschkulissen des Sound Designers Torsten Ottersberg wie in
aktionistischen Rahmen von darstellender Kunst. Überhaupt passt dieses Video
eher in ein Modernes Museum angewandter Kunst als zu Musiktheater, denn das
bleiben der Regisseur und sein Team dem Publikum weitestgehend schuldig. Die
aus allerlei Filmen übernommene Ästhetik der Schatten (Fritz Lang), der
Kostüme (Pizarro und Gefolge als Matrix Abklatsch), der Doppelungen, der TV
Nachrichtenshows (Gebärdensprache inkl.) sind ja alles Stilmittel, aber
ersetzen kein Konzept. Die Personen des Stücks sind dazu verdammt, Florestan
und Pizarro ausgenommen, im Inneren ihrer Befangenheiten versperrt zu
bleiben. Dadurch zu schwarz-weiß Schablonen reduziert, vermögen sie auch
nicht, als menschlich berührende Wesen aufzutreten, sondern gehen gerade
einmal als Zombies bürgerlicher Konvention durch, in die Bühnenbildner
Christian Schmidt wieder einmal die Bühne setzt. Ein leerer weißer
Riesenraum mit Parkettfußboden, geteilt durch eine schwarze
Kulissen-Paraphrase auf den Monolithen aus Stanley Kubricks Film 2001. Die
Kostüme reflektieren (Jaquino, Rocco, Minister) eine spießige Beamtenwelt,
die Gesellschaft funktioniert auf Weisung, kalt, verlogen, unterwürfig und
doppelbödig. Insoweit gibt es gute Ansätze, die sich auch in einer
ungeahnten Bandbreite an optischen Eindrücken übersetzt. Aber wie war das
noch einmal? Wenn jemand sagt, etwas schmeckt interessant, dann meint er:
„Es ist nicht ganz grauslich, aber eigentlich mag ich es nicht.“ Exakt
dieses Geschmäcklerische an der Inszenierung ist es auch, die mich
irritiert. Dort, wo ein schöner anrührender Moment aufblitzt, gleitet alles
rasch ins Banale, Repetitive. Man könnte beinahe den Eindruck gewinnen, der
Regisseur traut sich selbst nicht über den Weg.
Was hat das Alles mit
Fidelio zu tun? Herzlich wenig, außer der Musik natürlich, die – oh Wunder –
ja doch bleiben durfte, wie sie ist. Franz Welser-Möst ist der eigentliche
Held der Aufführung. Was er den Wiener Philharmonikern an sehnigem Klang,
herrlichen Piani, filgraner Durchhörbarkeit, und wo es Sinn macht, ins
Utopische gepeitschter Dynamik abfordert, ist unerhört und das wahrhaft
Revolutionäre an der Aufführung. Da mag es ja schon wieder als Treppenwitz
des Videos anmuten, dass gerade während der III. Leonoren-Ouvertüre, die der
umjubelte Höhepunkt der Aufführung war, der Vorhang runter war und der
Dirigent und das Orchester in ganz simpler optischer Projektion einfach nur
Beethoven machen durften, ohne psychologische oder sonstige Verrenkung.
Von der Besetzung her ragen Jonas Kaufmann als Florestan und Tomasz
Konieczny als Pizarro heraus. Da die beiden „spielen“ dürfen, kommen hier
auch Großaufnahmen und stilistische Filmmittel wie Perspektiven aus dem
Schnürlboden bestens zur Geltung. Jonas Kaufmann ist aktuell der beste
Florestan weltweit und hält diese Partie wie wenige andere (Cavaradossi und
Don José) über die Jahre hinweg konstant in seinem Repertoire. Stimmlich ist
er gegenüber der Aufnahme unter Harnoncourt in Zürich erstaunlich gereift,
die Partie sitzt ihm fest in der Gurgel. An heldischen und Zwischentönen ist
alles da, was das Herz begehrt, die Höhen kommen wie geschmiert. Seine
Darstellung als durch Gefangenschaft völlig Traumatisierter ist glaubwürdig,
bisweilen wirken die spastischen Zuckungen aber ein wenig gewollt. Tomasz
Konieczny als Bösewicht Pizarro kann in Matrix-Sonnebrille und mit glatt
gelacktem Haar samt messerzückendem Schatten à la Tatort-Mörder (Paul
Lorenger) stimmlich Profil zeigen. Trotz einiger eigentümlicher
Vokal(ver)färbungen gewinnt dieser Pizarro an Plastizität und Charakter.
Ganz auf der Strecke bleibt in der Regie Adrianne Pieczonka als Leonore. Zu
Beginn wie in Realitätsverlust selig vor sich hinlächelnd, bliebt sie am
Distantesten zu allem, was ich an großen Leonoren kenne. Hier fehlen auch
schmerzlich die Dialoge etwa in der Kerkerszene, die für das Singspiel
Fidelio aber auch die emotionale Seite unverzichtbar sind. Rein stimmlich
kann nicht viel bemäkelt werden, außer einem wenig eigentimbrierten Sopran,
der vielleicht wegen der Regie auch im Ausdruck seltsam verhalten bleibt.
Das nehme ich dieser Regie wirklich übel, dass das musikalische und
dramaturgische Epizentrum der Oper zu einer Statistin mit Stimme degradiert
wird. Ihr zur Seite Nadia Kichler als stereotyp gebärdensprechender
Schatten. Verlässlich, aber auch nicht viel mehr Olga Bezsmertna als
Marzelline, Norbert Ernst als Jaquino, Hans-Peter König als Rocco und
Sebastian Holecek als Don Fernando.
Die Konzertvereinigung Wiener
Staatsopernchor darf einmal weiß gewandet im Gefangenenchor, einmal
unsichtbar hinter Bühne am Schluss zeigen, dass sie Fidelio bestens drauf
hat.
Allen Interessierten kann ich wieder einmal nur raten, sich die
Bluray anzuschaffen und nicht die DVD. Die unendlichen Unterschiede in
Bildqualität und Ton rechtfertigen die paar Euro allemal. Bei Aufnahmen mit
2 DVDs und nur einer Bluray ist die Bluray sogar wesentlich preisgünstiger
bei fünffacher Leistung (siehe den demnächst erscheinenden Tristan von den
Bayreuther Festspielen unter Thielemann). |
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