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Online Musik Magazin |
Von Thomas Tillmann |
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Ludwig van Beethoven: Fidelio
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Harnoncourts Fidelio mit vokalen
Leichtgewichten |
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für einen Grund gibt es, einen weiteren Fidelio auf DVD herauszubringen?
Eine besonders gelungene Regiearbeit vielleicht oder eine besonders
provozierende, schockierende, die Rezeptionsgeschichte verändernde. Das wird
man von Jürgen Flimms solider, wenig Überraschungen, aber erfreulicherweise
auch wenig Mätzchen, angenehm straffe Dialoge und eine ausgesprochen
differenzierte Figurenzeichnung bietender Inszenierung kaum sagen können,
zumal Bildregisseur Felix Breisach bei brillanter technischer Qualität einen
wirklich schlechten Job gemacht hat: Kaum je zeigt er dem Betrachter eine
Totale und damit einen Gesamteindruck des Bühnengeschehens, dafür vor allem
die Gesichter der Protagonisten, deren Bühnen-Make-up, Perückenansatz,
Stirnschweiß und konzentrierte Blicke auf den Dirigenten und die Monitore
man stattdessen genauestens studieren kann, ebenso wie den unglücklichen
Tick der Hauptdarstellerin, den Mund beim Singen merkwürdig nach rechts zu
ziehen. Dass man nicht genau erfährt, ob Pizarro denn nun erschossen wurde
oder nicht, stimmt dabei wirklich ärgerlich, und ich hätte auch gern
gesehen, was Leonore im Kerker genau tut, um den Gouverneur von seiner
Schandtat abzubringen. Ansonsten bleibt aber die Optik angenehm fürs Auge,
bei den Kostümen gar der ursprünglichen Handlungszeit verpflichtet (es
handelt sich offenbar nicht um eine Premiere, denn das Produktionsteam
erscheint nicht vor dem Vorhang; entsprechende Informationen, Interviews
etc. sucht man ebenso wie biografisches oder anderes zusätzliches Material,
das über die üblichen Untertitel in englischer, deutscher, französischer,
italienischer und spanischer Sprache hinausgeht, auf dieser DVD vergebens).
Um Nikolaus Harnoncourts natürlich tief reflektierte, das eine oder andere
Mal aufhorchen lassende, besonders in der um jeden Preis Originalität bieten
wollenden Tempowahl mitunter irritierende, diskutable (ich hasse ein
langsames "O namenlose Freude"!), motivierten, intellektualisierenden
Dramaturgen reichlich Schreibanlässe bietende, aber auch keineswegs
revolutionäre Lesart der Partitur mit kleinen Stimmen festzuhalten, hätte es
natürlich eine CD getan. Einen richtigen Star hat die Besetzung erst einmal
auch nicht: Die beste Leistung des Abends gelingt László Polgár als sehr
feinfühligem, mehrdimensionalen und viele Zwischentöne anschlagenden Rocco,
der auch vokal aus dem Vollen schöpfen kann, meistens aber auch hier feinen
Nuancen, Pianogesang und dem genau richtigen vertraulichen Plauderton für
die Gold-Arie den Vorzug gibt und damit überzeugt, während Alfred Muff sich
mit skandalös ausgebleichter, grobschlächtiger Stimme und Sprechgesang durch
die Partie des Pizarro poltert und dafür auch noch Applaus erhält. Elizabeth
Rae Magnuson ist eine Durchschnitts-Marzelline mit nicht mehr mädchenhaftem,
kleinen, sehr geraden und etwas behäbigen Sopran, die der ausgesprochen
unauffällige Jaquino (Christoph Strehl) als vermutlich nun doch zu
Ehefreuden Gelangender unbedingt von der Keksdose fernhalten sollte. Günther
Groissböck heißt der solide Interpret des Ministers.
Am meisten hatte mich im Vorfeld Camilla Nylund in der Titelpartie
interessiert, und dass sie sich an dieser ein wenig verheben würde, hatte
ich nach ihrer Arabella an der Vlaamse Opera und der Kölner Salome erwartet.
Zwar scheitert die Mozartsopranistin nicht an der Leonore und gibt ihr in
den lyrischen Passagen viel jugendlichen Glanz, elegantes Legato und
mädchenhaften Charme (all das freute einen eben auch bei einer
Marzelline-Interpretin), bleibt der Rolle aber vor allem vokal das
Heroisch-Pathetische schuldig, das sie eben auch braucht (man hört auch die
Anstrengung bei einzelnen Schwelltönen im Kerker), und darstellerisch bleibt
sie bei allem Einsatz zu distanziert, unterkühlt und damenhaft. Die
Entdeckung war für mich eher der in München geborene, ausgesprochen
attraktive Jonas Kaufmann als wirklich sehr involvierter, verinnerlichter
Florestan in Christus-Pose und -Optik, der zudem höchst achtbar mit einer
frischen, lyrischen Stimme singt, die natürlich auch nicht die eines
Wagnertenors ist, aber dafür wenigstens das auf hohem Niveau bietet, was man
von einem lyrischen Tenor erwarten darf. Die angemessene Rolle im
Fidelio ist nach seiner Repertoireliste auf einer einschlägigen
Internetseite natürlich Jaquino (dort finden sich auch Belmonte, Don
Ottavio, aber auch bereits Idomeneo, Faust, Fierrabras und Tito in der
Mozartoper). |
Ludwig van
Beethoven
Fidelio
Don Fernando -
Günther Groissböck
Don Pizarro - Alfred Muff
Florestan - Jonas Kaufmann
Leonore - Camilly Nylund
Rocco - László Polgár
Marzelline - Elizabeth Rae Magnuson
Jaquino - Christoph Strehl
Erster Gefangener - Boguslaw Bidzinski
Zweiter Gefangener - Gabriel Bermúdez
Chor und Orchester
des Opernhauses Zürich
Dirigent: Nikolaus Harnoncourt
Regie: Jürgen Flimm
Ausstattung: Rolf und Marianne Glittenberg
Licht: Jakob Schlossstein
Aufnahme: 15. Februar 2004
Opernhaus Zürich
Bildregie: Felix Breisach |
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