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Salzburger Nachrichten, 27. September 2016 |
Ernst P. Strobl |
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Der sentimentale Blick des Jonas Kaufmann |
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Der Soundtrack für den Italien-Urlaub:
Dass der bayerische Tenor italienisch singt, ist nicht neu, wohl aber, was
er singt. Aus Liebe zu den italienischen Evergreens
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Im
italienischen Fach ist er zu Hause wie sonst kein deutscher
Opernsänger. Aber eben als Opernsänger. Das Puccini-Album erwies
sich als Verkaufsschlager. Das reicht Jonas Kaufmann nicht. Er
hat eine neue CD aufgenommen, die eine Liebeserklärung der
anderen Art ist an das Land, wo die Zitronen blühen. Diese Musik
weckt blitzartig Sehnsüchte nach dem nächsten Italien-Urlaub
oder verklärt die Erinnerungen an den letzten Aufenthalt. Ende
dieser Woche erscheint „Dolce Vita", eine CD für echte
Jonas-Kaufmann-Fans, nicht unbedingt für die Opernfreaks.
Andererseits bräuchten gerade diese Trost. Denn seit Wochen
müssen sie damit leben, dass Jonas Kaufmann erkrankt ist und
Auftritte in München, Berlin oder Baden-Baden absagte. Also
nehme man einen guten Chianti und lege „Dolce Vita" auf, gut für
die Seele. Auch wenn kein einziger dieser Songs der Oper
zuzurechnen ist, sondern mitunter als sentimentaler Schlager mit
Italien-Feeling um die Welt ging.
Das spricht ja nicht
gegen die Ehre des Opernstars, auch andere Tenöre haben den
riskanten Grat zwischen Schmelz und Schmalz ausgetestet. Man
denke an Luciano Pavarotti, den Meister des „Crossover", der
einst mit seinen Freunden aus der Popbranche den großen Platz in
Modena mit Liedern aller Art beschallte. „Mattinata" von
Ruggiero Leoncavallo — und dieser ist mit seinem veristischen
Reißer Pagliacci (Der Bajazzo) immerhin im Opernhimmel gelandet
— ist ein Lied, das Pavarotti unter anderem mit seinem Konzert
im New Yorker Central Park populär gemacht hat. Auch Jonas
Kaufmann wählte das für seine CD, und, um es kurz zu sagen:
Luciano Pavarotti swingt mehr.
Derselbe Pavarotti hat mit
Lucio Dalla, dem 2012 überraschend verstorbenen Cantautore,
dessen größten Hit „Caruso" in Modena im Duett gesungen. Diese
Liebesgeständnis gewordene Hommage an einen berühmten Tenor, die
Lucio Dalla im selben Hotelzimmer einfiel in Sorrent, in dem
einst Caruso ein paar Tage verbrachte gegen Ende seines Lebens,
ist die Eröffnungsnummer der Kaufmann-CD. Das verhuschte
Italienisch, das Lucio Dalla ins Mikrofon nuschelt, hat sich bei
Kaufmann zum dramatischen Gesang des erfahrenen Lied-Sängers
ausgeweitet. Wer gern vergleicht, der kann sich bei anderen
Sängern von Paul Potts bis Andrea Bocelli umhören.
Das
betrifft vor allem auch einen San-Remo-Schlager aus den 1950ern,
der sich bei Kaufmann wiederfindet. „Volare ist einer der
Italo-Hits, mit dem Domenico Modugno beim Festival gewann und
der in zahllosen Interpretationen bis heute stellvertretend für
das südliche Lebensgefühl weiterlebt. Für Dean Martin war es ein
Welterfolg, Luciano Pavarotti sang es gern, und sogar von David
Bowie gibt es eine Aufnahme. Jonas Kaufmann versucht die
Leichtigkeit des Seins in den letzten Takten von „Volare"mit
charmantem Pfeifen einzufangen.
Nino Rotas „Paria più
piano"aus dem Film „Der Pate"darf auch nicht fehlen, das reizt
den heldischen Tenor Kaufmann, auch „Il Canto", wo ein Pavarotti
mit Inbrunst die Latte hochlegte. Vollends im Schlagerfach
landet Jonas Kaufmann mit „Con te partirò", wie vor ihm -
allerdings unter dem englischen Titel „Time to Say Goodbye"-
Andrea Bocelli & Sarah Brightman. Dabei sind die bekennenden
Kommerzsänger irgendwie authentischer. Der letzte unter den 16
Songs überrascht, nicht nur weil Jonas Kaufmann ihn geradezu
haucht. „The Book of Love"wurde einst von Peter Gabriel berühmt
gemacht, Zucchero transferierte ihn ins Italienische. Diese
Fassung greift Kaufmann auf.
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