Wohlfeil ist das inzwischen geworden und daher etwas dröge, nämlich
Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“ gegen ihre mutmaßliche
Opernhaftigkeit in Schutz zu nehmen. Viel besser als zu
argumentieren, ist doch eines: entsprechend zu handeln. Also die
ganzen Schnörkel rauszunehmen, die Bremsmanöver, wenn es besonders
emotional wird, die plakativen Knaller. Dass gerade Christian
Thielemann so handelt, als Bauchmusiker dem „Verweile doch“ nicht
abgeneigt, das überrascht dann allerdings doch.
Nur ja keine
Mätzchen, dieses Credo bestimmte zumindest den ersten Teil dieser
Aufführung bei Salzburgs Osterfestspielen. Zügige Tempi, minimale
Ritardandi, um dann gleich wieder zum Grundpuls zurückzukehren,
keine theatrale Textausdeutung, eine große Selbstverständlichkeit
und Natürlichkeit im Umgang mit dem Schwergewicht, dazu die knappe
Gestik des mittlerweile dirigierenden Minimalisten Thielemann:
„Keine Experimente bitte“ sprach aus dieser Deutung, Verdi aus dem
Geiste Adenauers gewissermaßen. Kein Abend religiöser Bekenntnisse,
sondern des reflektierten Handwerks. Was alles nicht heißt, dass
Details ignoriert wurden – die abstürzenden Linien im „Dies irae“,
die gern im Radau untergehen, überhaupt die genaue Balance zwischen
Chor und Orchester. Mag auch sein, dass all dies aus anderem
resultierte – tägliche Einsätze der Staatskapelle Dresden, da ist
die Probenzeit knapp, interpretatorische Eskapaden verbieten sich
folglich.
Je länger die Aufführung dauerte, desto mehr wurde
riskiert. Auch weil die Solisten, allen voran Jonas Kaufmann, ihr
Recht auf zelebrierte Soli einforderten. Der Star lieferte nicht nur
Power, sondern wagte auch Piano-Effekte, wobei bei ihm Lyrismen
weiterhin so tönen, als werde der Klang abgeklemmt. Wie man eine
entspannt auf dem Atem liegende Mezzavoce produziert, das führte
Bassist Ildar Abdrazakov vor – unter anderem im „Hostias“,
ausgerechnet in der Wiederholung von Kaufmanns vorausgehender
Phrase.
Dass der Münchner im Solistenquartett nur auf Platz
vier landete, spricht nicht gegen ihn, sondern für die
außerordentliche Qualität der anderen. Besonders im Falle von Anita
Rachvelishvili, eine Mezzosopranistin mit großer Stimme in jeglicher
Hinsicht. Vor allem aber kann sie ihr einschüchterndes Material so
bündeln, kanalisieren und biegen, dass schier alles gelingt, was sie
an Ausdruck will. Ihr „Lux aeterna“ wurde zum Höhepunkt des Abends.
Ganz ähnlich vokalgestrickt ist Sopranistin Liudmyla Monastyrska,
der nur am Ende (nervositätsbedingt?) kleine Ansatzhärten
passierten, die sich dafür aber im tobenden Tutti mit einem
triumphierenden hohen C durchsetzte.
Jonas Kaufmanns
Testosteron-Forte bleibt ein Suchtmittel, zwei kleine Kratzer
kündeten vom derzeitigen Dauerstress. Kollege Ildar Abdrazakov gab
nicht den Donner-Bass, sondern den Stilisten. Und wie man die drei
Tugenden Prägnanz, Präzision und unforcierte Wucht verbindet, führte
der Chor des Bayerischen Rundfunks vor. Standing Ovations, der
Besitzer des klingelnden Handys aus dem „Salva me“ dürfte da bereits
gelyncht worden sein.