Jonas Kaufmann singt Verdi, Wagner, französische Oper und
Schubert-Lieder. Wen überrascht es da, dass er auch Operette kann?
Den Gemeinplatz, die leichte Kunst sei doch eigentlich die
schwerste, mag man schon lange nicht mehr hören. Er stimmt auch gar
nicht.
Jonas Kaufmann nimmt sich etwa des Liedes „Grüß mir
mein Wien“ aus Emmerich Kálmáns „Gräfin Mariza“ mit großer
Zärtlichkeit an, in der langsamen Walzermelodie werden alle
musikalischen und textlichen Nuancen ausgekostet, und der Tenor
besticht durch seine artikulatorische Sorgfalt und seinen steten
Willen zum Piano.
Dazu begleitet das fast schon zu üppig
besetzte Münchner Rundfunkorchester unter Jochen Rieder
ausgesprochen idiomatisch, Rieder beherrscht die Kunst des
sentimentalen Ritenutos, das für die späte Operette als typisch
gilt. Er neigt nur etwas zu sehr zur Zurückhaltung und versäumt es
somit, etwa in den Walzern Franz Lehárs aus „Die lustige Witwe“ und
„Giuditta“ auch einmal einen mitreißenden Sog zu entfachen.
Die
Verstärkung stört nicht
Der Luxus, viele Passagen im leisen
„mezza voce“ zu singen, ist freilich erkauft durch eine fast
durchgehende elektronische Verstärkung. In einer Vorbemerkung
begründet Kaufmann das prominente Stehmikrophon damit, dass es für
die eigene Ästhetik des frühen Tonfilmschlagers notwendig sei, und
er hat recht damit.
Doch die Verstärkung ist, etwas subtiler,
auch bei manchen der Operettenarien im Einsatz, wo sie eigentlich
natürlich nicht hingehört. Man kann sich des Eindrucks nicht ganz
erwehren, hier werde durch technische Unterstützung die Stimme
geschont, was angesichts einer acht Konzerte umfassenden
Deutschland-Tournee verständlich ist.
Auch werden viele
Modulationen, leise, intime Töne der Tenorstimme möglich, die in der
Tiefe eine fast baritonale Färbung annimmt. Wenn Kaufmann allerdings
ohne Mithilfe singt, etwa „Freunde, das Leben ist lebenswert“ aus
Lehárs „Giuditta“ oder „Dein ist mein ganzes Herz“ aus dessen „Land
des Lächelns“, wird auch deutlich, dass sich das Organ in den Weiten
der Philharmonie vor allem in der mild leuchtenden Höhe entfalten
kann.
Zugaben aus der Zeit, als der Schlager noch Niveau hatte
Im Ganzen jedoch funktioniert dieses natürlich aufwendig
umworbene U-Musik-Projekt Jonas Kaufmanns sehr gut, nicht zuletzt
auch wegen der Zugaben aus einer Zeit, als der Schlager noch Niveau
hatte: Werner Richard Heymanns „Irgendwo auf der Welt“, Ralph
Benatzkys „Es muß was Wunderbares sein“ aus dem „Weißen Rössl“ sowie
Robert Stolz´ „Das Lied ist aus“ reißen die Anhänger des gebürtigen
Münchners in der Philharmonie von den Sitzen.