Ich habe, verspricht er ihr, ein blaues Himmelbett. „Darin
träumt es sich so nett/ aber nicht allein“, lautet der Text weiter.
Das Lied „Schatz, ich bitt“ stammt aus der Operette „Frasquita“ von
Franz Lehár. 1922 hatte das Stück Premiere, das war gerade vier
Jahre nach dem Großen Krieg, mitten in der Inflation, mitten in die
Demütigung hineingeschrieben, die die Auflösung des k.-u.-k-Reichs
und des deutschen Kaiserreichs für viele bedeutete.
Da
schmachtet der Mann die Frau um ein Liebesstündchen an, dem das Ende
schon eingeschrieben ist: „Niemand sieht dich beim Kommen und beim
Gehen“. Der deutsche Startenor Jonas Kaufmann singt das so
verhalten, mit liebevollen Pianospitzen, die aus der Melodie
ausbrechen und das Ohr sanft locken, und klingt doch wie ein Schelm,
einer, der in der gesellschaftlichen Moderne der 20er Jahre
angekommen ist, einer, der kriegen wird, was er will.
Kaufmann stellte mit dem Münchner Rundfunkorchester seine CD „Du
bist die Welt für mich“ im Konzerthaus Dortmund vor. Mit dem Album
hat er eine konventionelle Wahl getroffen: Der Tenorliebling fesselt
ein breites Publikum mit nostalgischen Operetten und Filmliedern aus
den 20ern und 30ern. Allerdings ist das in diesem Fall ein
Glücksgriff. Er lässt das Repertoire mit seinem immer noch
jungenhaften Bühnencharme und klug eingesetzter Technik lebendig
werden, als gebe es eine Möglichkeit, aus frühen Tonaufnahmen
Rauschen und spitze Klänge zu entfernen und nur Wärme übrig zu
lassen. Das rührt an, weil die Lieder einen hohen
Wiedererkennungswert haben, aber noch mehr, weil Kaufmann eine im
Grunde perfekte Art gefunden hat, wie ein Opernsänger die 80, 90
Jahre alten Publikumshits heute vortragen kann, ohne wie der x-te
Epigone von Tauber oder Wunderlich zu klingen.
Das würde
Kaufmann mit seiner männlich-baritonalen Stimme auch nicht stehen,
dafür singt er zu viril und auch nicht so geschmeidig. Aber er ist
ein begnadeter Darsteller und setzt seine Fähigkeiten klug ein:
Nicht einmal drückt er auf die Stimme oder überlädt die Melodie mit
Puccini-geschulter Kraftmeierei. Nichts davon. Das Timing stimmt,
die Komik, ebenso wie der Überschwang, das
Von-sich-selbst-Beschwipstsein, das in vielen der Stücke
mitkomponiert ist. Er singt Richard Tauber, „Du bist die Welt für
mich“, und kann seine Stimme intim und zugleich so verlockend
leuchtend klingen lassen, als komme sie frisch von dem faszinierend
neuen Medium namens Schallplatte. Viele Lieder singt er mit
Mikrophonbegleitung, der leichte Hall überzieht seine Stimme
zusätzlich mit Patina.
Von Mischa Spoliansky stammt das
Filmlied „Heute Nacht oder nie“ (1932). Max Raabe, selbst gelernter
Opernsänger, hat ein Livealbum danach benannt und bringt es
melancholisch zum Schwingen. Kaufmann singt es cremig,
verführerisch, begleitet von einem zart rauschenden Orchester. Seine
Lieder und Arien sind Grüße aus einer Haltung heraus, die die
Bühnenpose ernst nimmt und das Bühnengefühl genießt. „Grüß mir mein
Wien“ aus Kalmans „Gräfin Mariza“ singt er mit dem Kummer dessen,
der etwas Liebes unwiederbringlich verloren hat, aber zugleich mit
dem Wissen, der Weltläufigkeit eines Habitué, der eben weiß, dass
sich die Welt weiterdreht.
„Gern hab ich die Fraun geküsst“
aus Lehárs „Paganini“ trägt er im Parlando-Ton vor, aber hinter der
Nonchalance blickt ein Draufgänger hervor. Der Opernprofi Kaufmann
strafft angriffslustig die Schultern, als er singt „dachte mir/ nimm
sie dir“. Als die Zeile wiederholt wird, liegt ein Knurren, ein
Habenwollen in der Stimme. Die Figur des Latin Lover legitimiert
männlichen Besitzanspruch – damals wie heute.
Das Leichte
ist, so lautet der Gemeinplatz, das Schwerste. Bei Kaufmann klingt
es unbeschwert. Auch wenn er stimmlich Tribut zollen muss und
gelegentlich in seinen gaumigen Ton verfällt. Das Münchner
Rundfunkorchester unter Jochen Rieder muss sich zurücknehmen, weil
Kaufmann im Piano Nuancen sucht und findet. In den
Instrumentalstücken – gelegentlich langen Sequenzen von Lehár,
Kalman und anderen – strebt das Orchester nach einem voluminös
schillernden Klang, durchaus auf Kosten der Transparenz.