Mittelbayerische Zeitung, 1. August 2010
Von Gerhard Heldt
Liederabend, München 30. Juli 2010
Umjubelt auch im Liedfach
 
Tenor Jonas Kaufmann bewies bei den Münchener Opernfestspielen erneut seine Brillanz.
 
München. Als Opernsänger ist Jonas Kaufmann gesucht auf den Bühnen der Welt; seine Auftritte als Liedsänger waren bisher trotz anspruchsvoller Programme eher zu wenig beachtet. Das sollte sich mit dem fulminanten Liederabend am Ende der diesjährigen Opernfestspiele grundlegend ändern.

Zusammen mit seinem ehemaligen Lehrer Helmut Deutsch, der als Begleiter in vornehmer Zurückhaltung gegenüber der Sängerstimme blieb und dort Akzente setzte, wo der Text es erfordert, hatte Kaufmann ein höchst anspruchsvolles Programm erarbeitet, mit dem er, vor allem im ersten Teil mit weitgehend unbekannten Liedern des Jubilars Robert Schumann, sein Publikum erobern musste.

Tenoraler Glanz und Schmelz

Jonas liest die Texte sehr genau und interpretiert ihre Gehalte mit den ihm in reichem Maß zur Verfügung stehenden sängerischen Mitteln. Seine baritonal grundierte farbreiche Stimme schafft im Verein mit der exzellenten Beherrschung auch der schwierigsten Gesangstechniken (vor allem mezza voce) atmosphärische Stimmungen, die das Publikum tief in die dichterischen wie musikalischen Intentionen der Schumann-Lieder eintauchen lassen. Besonders hervorzuheben ist die Heine-Ballade „Belsazar“ op. 57, die Kaufmann zu einem spannenden Minidrama macht. H.C. Andersens „Der Soldat“, die Geschichte des zum Erschießungskommando Abkommandierten, der seine Kugel im Herzen des besten Freundes glaubt, lebte vom Kontrast des vorwärtstreibenden, trommelbegleiteten Marschs zur Hinrichtungsstätte (Klavier) und wehmütigen Gedanken an die Freundschaft (Gesang). In Geibel-Liedern präsentierte Kaufmann tenoralen Glanz und Schmelz, immer wieder fast gehauchte dreifache Piani, schwärmte in Operntönen und wehmütiger Klage.

Betörend schöne „Mondnacht“
Nach der Pause wurde der zweite Jahres-Jubilar, Gustav Mahler, mit der eindringlichen Wiedergabe der „Kindertotenlieder“ (Rückert), zwei eigenen und zwei aus „Des Knaben Wunderhorn“ geehrt. Hier gingen Kaufmann und Deutsch bis an die Grenzen musikalischer Ausdeutung: Im Spannungsfeld zwischen Lebens-Leuchtkraft, flammendem Schmerz und resignierender Todes- und -Erlösungssehnsucht fanden sie Räume für natürliche Schlichtheit im Volksliedton, vom Tenor einerseits dicht-linear, andererseits mit Fortissimo-Durchschlagskraft gesungen, vom Pianisten trotz manch verstörender Harmonik Mahlers stets verständlich mitgestaltet.

Jonas Kaufmann bedankte sich im ausverkauften Münchner Nationaltheater für den Jubel des Publikums mit vier Zugaben: „Stille „Tränen“ op. 35,10 von Schumann, zwei Strauss-Liedern aus op. 19 und zum Schluss – betörend schön mezza voce gesungen – mit der „Mondnacht“ aus Schumanns Eichendorff-Zyklus „Liederkreis“ op. 39.






 
 
  www.jkaufmann.info back top