Es war eine Zitterpartie ohnegleichen. Zuerst meldete sich Anna
Netrebko krank und sagte bis kurz vor dem Münchner «Gipfeltreffen»
alle Termine ab. Würde die Diva ihre 12 500 Fans, die sich zu
stattlichen Kartenpreisen auf dem Königsplatz eingefunden hatten,
enttäuschen?
Dann musste für den erkrankten Bariton Dmitri
Hvorostovsky Ersatz gefunden werden. Und am Samstagnachmittag baute
sich über dem Platz eine dunkle Wolkenwand auf. Es fielen auch ein
paar Tropfen. Doch als sich das Orchester auf der Bühne vor den
neoklassizistischen Propyläen versammelte, brach die Sonne durch.
«Der Wettergott muss ein Klassikfan sein», schmeichelte
Startenor Jonas Kaufmann ins Mikrofon. Für die Romanze des Radames
aus Giuseppe Verdis «Aida» musste sich der Superstar erst ein wenig
warm singen. Doch dann entströmte seiner Kehle nur noch wonniger
Wohllaut. Gleich danach, offenbar wieder pumperlgesund, die
Netrebko, in türkisfarbenem Chiffon, über den sie eine nicht sehr
vorteilhafte, mit silbernen Pailletten besetzte und mit
Lederschlaufen versehene Arbeitsweste gezogen hatte. Wahrscheinlich,
um sich vor der kühlen Brise zu schützen, die von dem glücklich
vorübergezogenen Gewitter über den Platz wehte.
Netrebko (43)
merkte man die Krankheitspause nicht an. Sie präsentierte sich schon
mit der sehnsüchtigen Arie der Aida «O patria mia» in Hochform. Die
Spitzentöne funkelten nur so und auch die Tiefe ließ nichts zu
wünschen übrig. Thomas Hampson, der für Hvorostovsky eingesprungen
war, dürfte seinen Zenit zwar schon etwas überschritten haben,
gleicht kleine stimmliche Mängel jedoch mit seiner Grandezza aus und
seinem amerikanischen Charme, vor allem, wenn er ins Musicalgenre
wechselt.
So ging es gute zwei Stunden munter durch die
Opern-, Operetten- und Musicallandschaft. Der Bass Ildar Abdrazakov
gab Dramatisches aus Verdis «Attila» und Buffoneskes aus Gioacchino
Rossinis «Il barbiere di Siviglia» zum besten, die Mezzosopranistin
Elena Zhidkova die berühmte Arie der Eboli aus Verdis «Don Carlos»
und, zusammen mit Netrebko, die Barcarole aus Jacques Offenbachs
«Les contes d'Hoffmann». Dazu hatte sie nach der Pause ein
schimmerndes, silbernes Etwas angelegt und die klobige Weste
weggelassen.
Das gesamte Ensemble zeigte sich in aufgeräumter
Stimmung. Kaufmann krönte das Duett Mimi-Rodolfo aus Giacomo
Puccinis «La Bohème» unter dem Jubel des Publikums mit einem dicken
Kuss für die russische Diva. (dpa)