Operndoppel zu den Salzburger Osternfestspielen: Cavalleria
Rusticana und Bajazzo zeigt fulminante Inszenierungen von Philipp
Stölzl
Salzburg (Weltexpresso) - Filmemacher sind
nicht unweigerlich gute Opernregisseure. So sah man etwa von Bernd
Eichinger, Doris Dörrie oder Volker Schlöndorff wenig Überzeugendes.
Vor allem hat bislang noch keiner versucht, die Möglichkeiten des
Kinos sinnvoll für eine Bühne auszuloten.
Da wurde es
endlich Zeit, dass einer kommt, der aufzeigt, dass filmische Mittel
tatsächlich neue Perspektiven für das Musiktheater eröffnen. Und was
für welche! Philipp Stölzl gelingt bei den Salzburger
Osterfestspielen eine derart fulminante Inszenierung von Mascagnis
„Cavalleria Rusticana“ und Leoncavallos “Bajazzo“, dass man schon
geneigt ist, das Doppelpack als beste Produktion des Jahres
auszurufen.
Vor allem bei der „Cavalleria“ verbinden sich
die Intentionen der veristischen Oper geradezu ideal mit denen des
neorealistischen Kinos von Rossellini oder Pasolini, wollten doch
beide Künste von den realen, sozialen Nöten der einfachen Menschen
in ländlichen Gegenden erzählen.
In sechs über- und
nebeneinander angeordneten Guckkästen erzählt Stölzl das tödlich
endende Drama um den untreuen Bauer Turridu und seine sich in
Eifersucht verzehrende Frau Santuzza konsequent in Schwarzweißtönen.
Hoch virtuos löst er die Geschichte in Dutzende von
Einzelszenen auf. Unentwegt wechselt die Perspektive, immerzu geht
ein Vorhang auf wie dort einer zu. So entstehen zwischen Dorfplatz,
Kirche und Mansarde (Mitarbeit Bühnenbild: Heike Vollmer) analog zu
den Schnitten im Kino reizvolle szenische Wechsel in mal
schnellerem, mal langsameren Tempo. Und immer wieder sieht man hier
und da die Gesichter in Nahaufnahme.
Um deutlich zu machen,
dass Santuzza auch gesellschaftlich geächtet ist, hat der Regisseur
ein uneheliches Kind dazu erfunden. Die ukrainische Sopranistin
Liudmila Monastyrska singt die Betrogene mit der erschütternden
Verzweiflung einer von Eifersucht verzehrten Frau, nur leider auch
mit allzu starkem Tremolo und unschönem Flackern in der Höhe.
Der Kindsvater kann den Reizen seiner einstigen großen Liebe
Lola (ungemein erotisch in Erscheinung und Stimme: Annalisa Stroppa)
aber nicht widerstehen. Er zankt sich mit Santuzza, weist ihr
Flehen, die unglückselige Liaison aufzugeben, zurück, wird erst
nachdenklich, als ihn der Tod im Zuge eines Duells herausfordert.
Großartig, wie Jonas Kaufmann diesen Charakter als innerlich
Zerrissenen singt und spielt, mit dem gebotenen Belcanto und einer
geradezu vor Manneskraft strotzenden Robustheit.
Der
schwierigste Part liegt bei Christian Thielemann. Die Protagonisten
singen bisweilen mit dem Rücken zum Publikum. Eigentlich ist das
schon aus akustischer Sicht ein Unding. Dass es gleichwohl nie
zwischen Bühne und Orchestergraben wackelt, zeigt, dass der Dirigent
und sein Orchester in die Probenarbeit viel Zeit investiert haben.
Man habe da auch ganz schön „tüfteln“ müssen, sagte Thielemann tags
darauf bei der Festspiel-Pressekonferenz.
In Leoncavallos
„Bajazzo“, bei dem sich während der Aufführung einer
Komödiantentruppe das Eifersuchtsdrama auf offener Szene abspielt,
wechselt Stölzl stimmig vom Schwarzweiß- zum Farbfilm, in die bunte
Welt des Vaudeville.
Es gehört schon einiges dazu, neben dem
Turridu auch noch den Bajazzo zu geben. Jonas Kaufmann stellt eine
solch anspruchsvolle Doppelrolle vor keine Probleme. Nunmehr seit
einigen Jahren meistert er wie kein anderer und ohne jedwede
ernsthafte Krisen mit herrlichsten Edeltimbre nacheinander alle
großen Partien seines Fachs. Sein starkes Selbstbewusstsein kann man
hören, im auftrumpfenden Strahl seines Tenors.
Das
dramatische Finale im „Bajazzo“ beschert ihm seinen stärksten
Auftritt am ganzen Abend. Mit leerem Blick starrt er in den Spiegel,
routiniert schminkt er sein Gesicht weiß, die Lippen rot. Dann folgt
er ergeben seinem Schicksal, als Entertainer sein persönliches Drama
vor Publikum durch den Eifersuchtsmord an Nedda (solide: Maria
Agresta) und ihrem Liebhaber Silvio (großes Potenzial: Alessio
Arduini) zu vollenden.
Wenn er am Ende leichenblass und mit
bebender Stimme verkündet, die Komödie sei zu Ende, ist auch der
Zuschauer ganz benommen.