In der "Cavalleria" war es noch nicht so klar, wo Thielemann mit
seinen "Dresdnern" hinwollte. Ins große Pathos oder in die
veristische Trübnis und Bedrängnis, etwas von der regielichen
"Holzschnitt- Ästhetik"? Seinen Weg hat er vielleicht noch nicht
endgültig gefunden (gibt es in der Musik und anderswo sowieso
nicht), doch die musikalische Kompass- Nadel zeigte eindeutig nicht
nach Nord, sondern nach Süd. In Leoncavallos "Pagliacci" war dann
das Flirren, Sirren und Suchen in einer unausweichlichen und
schreckhaft leichten Unruhe auch musikalisch wie ein heimliches
Höllenfeuer.
Christian Thielemann ist dort angelangt, wo er
sein ihm oft vorgeworfenes, kleines romantisches Repertoire in
andere Gefilde auslagert und erweitert. Regisseur und Bühnenbildner
Philipp Stölzl, der schon für Madonna und Pavarotti Videos gemacht
hat, zudem zwei höchst beachtenswerte Spielfilme ("Nordwand" und
"Der Medicus"), weiß mit multimedialen Projektionen sehr gut
umzugehen. Er realisierte 2007 bei den Festspielen "Benvenuto
Cellini" ein unglaublich bedrängendes Bilder- Theater. Wie hier
auch. Es gibt so eine raffiniert schöne Choreographie der Bilder,
Personen und Simultan- Geschichten, dass einem fast schwindlig
werden könnte. Hier rührt und rauscht es aufs Feinste.
Die Oper kann uns noch viel vom Leben erzählen
In sechs "Guckkasten"- Segmenten lässt er parallel die
Stimmungen und Szenen spüren. Der Clown schminkt sich, das kann man
aus der Garderobe sehen, darunter ist der Tumult des dörflichen
Lebens, der sich Erheiterung wünscht und Entsetzen findet. Es war
nicht nur für Christian Thielemann ein Debüt mit den Verismo- Opern,
sondern ein doppeltes für Jonas Kaufmann. Der gegenwärtig allerbeste
seiner Sanges- Zunft, hat vorher ein paar CD- Arien aufgenommen, auf
der Bühne sang er beide Rollen des "Turridu" und "Canio" noch nie.
Es kann einem nichts schöner ins Gemüt gehen, wie einer, der so
singt – und spielt zudem. Das Ensemble ist mit den "Kalibern"
Liudmyla Monastyrska und Ambrosio Maestri, Dimitri Platanias
ziemlich gut besetzt. Nur die Zeit der sängerisch- wuchtigen
Resonanz- Körper ist lang vorbei. Sänger- und Spiel- Frauen wie
Annalisa Stroppa ("Lola") oder die wunderbare Maria Agresta ("Nedda"
in "Pagliacci") machen das, was man von einer Oper erwartet: Ist sie
mumifiziert, oder kann sie uns heute noch was sagen? Ja, durchaus.
Den kalabrischen Dorf- Muff in den üblichen Inszenierungen wollte
Philipp Stölzl vertreiben, es ist ihm und Christian Thielemann wie
dem Ensemble wunderbar gelungen.