Kieler Nachrichten, 30.03.2015
Von Jürgen Gahre
 
Mascagni: Cavalleria rusticana, Leoncavallo: Pagliacci, Salzburg, 28. März 2015
 
Heißblütiger Jonas Kaufmann
Er sieht nicht nur blendend aus, sondern singt auch betörend schön: Tenorissimo Jonas Kaufmann ist der Supermagnet der diesjährigen Salzburger Osterfestspiele, die Christian Thielemann zum dritten Mal als Künstlerischer Leiter mit „seinen Drednern“ veranstaltet.

Salzburg. Eröffnet wurde das Festival mit „Cavalleria rusticana“ von Pietro Mascagni und „Pagliacci“ von Ruggero Leoncavallo, jenen beiden kurzen Opern also, die seit ihrer Uraufführung in den 1890er Jahren wie siamesische Zwillinge zusammengewachsen sind. Dass Kaufmann gleich beide Tenorrollen, die des Turridu und die des Canio, übernommen hat, mag erstaunen, haben sie doch bei aller Verschiedenheit eines gemein: Sie verlangen vom Sänger ein Höchstmaß an heißblütiger Emotionalität. Kaufmann, der auf dem Höhepunkt seiner außergewöhnlichen Karriere angelangt zu sein scheint, gestaltet die aufbrausend-impulsive Art des Turridu darstellerisch wie gesanglich als eine Leidenschaft, die schicksalhaft und unentrinnbar ist, während er den abgrundtiefen Hass und die sich verzehrende Eifersucht des von Nedda betrogenen Canio mit testosterongesteuerter Brutalität verbindet. Aber trotz dieser Gefühlseruptionen bewahrt ihn sein kluger Gestaltungsinstinkt davor, sich zu verausgaben. Was für eine Sternstunde italienischer Gesangskultur! Hat man diese beiden Rollen je so perfekt und hinreißend hören können?

Ohne gute Partnerinnen und Partner aber kann selbst der beste Tenor wenig ausrichten. In der „Cavalleria rusticana“ hat Kaufmann eine Santuzza zur Seite, die sich wahrlich hören lassen kann: Die ukrainische Sopranistin Liudmyla Monastyraka kann trotz ihres gelegentlich unschönen Tremolos als bedingungslos und bis zur Verzweiflung Liebende überzeugen. Ihr von Hass erfülltes „A te la mala Pasqua!“ (Für dich schlimme Ostern!) läuft einem kalt den Rücken hinunter. Ambroglio Maestri als Turridus Rivale Alfio, dem das Wort Liebe unbekannt ist, da er seine Frau Lola lediglich als Eigentum betrachtet, steht mit seiner bulligen Brutalität in krassem Gegensatz zu dem von Gefühlen hin- und hergerissenen Liebhaber seiner Frau. Mit seinem kernigen Bariton weiß er zu überzeugen, besonders in der Auseinandersetzung mit Turridu.

In „Pagliacci“ kann Maria Agresta als kesse, die Männer mit ihrem Charme verzaubernde Nedda punkten, und Dimitri Platanias, ein Tonio von schmierig-aufdringlicher Art, beweist in seinem berühmten Prolog, dass Italianità nicht immer auftrumpfend sein muss.

Regie und Bühnenbild sind in einer Hand: Philipp Stölzl hat die Bühne des Großen Festspielhauses in drei obere und drei untere Spielstätten aufgeteilt. So kann er das eigentliche Geschehen ebenso zeigen wie all das, was die nicht auftretenden Personen tun, denken und fühlen. Da das simultan geschieht, gibt es manchmal sechs verschiedene Handlungsstränge, die den Blick in die Psyche der Protagonisten ermöglichen. Oft ist der jeweils Singende auf der einen Teilbühne „normal“ zu sehen, während sein Gesicht in Großformat auf einer anderen Teilbühne erscheint. Trotz vieler schöner Einfälle ist eine solch vielgliedrige, filmische Mittel verwendende Inszenierung jedoch eher verwirrend.

Wer nun glaubte, Thielemann würde den krassen Verismo dieser Opern bedienen, der hat sich getäuscht gesehen. Erstaunlich, was er an Delikatessen und lyrischen Feinheiten aus den Partituren herausgekitzelt hat. Und – um nur ein Beispiel zu nennen – was für ein Genuss, das Intermezzo aus „Cavalleria rusticana“ als subtil ziseliertes sinfonisches Poem zu hören! Wieder einmal kann die Staatskapelle Dresden beweisen, dass sie den ihr von Wagner verliehenen Namen „Wunderharfe“ nach wie vor verdient.

Beifallsstürme für alle, besonders aber für die beiden unumstrittenen Stars des Abends: Jonas Kaufmann und Christian Thielemann.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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