Er sieht nicht nur blendend aus, sondern singt auch betörend
schön: Tenorissimo Jonas Kaufmann ist der Supermagnet der
diesjährigen Salzburger Osterfestspiele, die Christian Thielemann
zum dritten Mal als Künstlerischer Leiter mit „seinen Drednern“
veranstaltet.
Salzburg. Eröffnet wurde das Festival
mit „Cavalleria rusticana“ von Pietro Mascagni und „Pagliacci“ von
Ruggero Leoncavallo, jenen beiden kurzen Opern also, die seit ihrer
Uraufführung in den 1890er Jahren wie siamesische Zwillinge
zusammengewachsen sind. Dass Kaufmann gleich beide Tenorrollen, die
des Turridu und die des Canio, übernommen hat, mag erstaunen, haben
sie doch bei aller Verschiedenheit eines gemein: Sie verlangen vom
Sänger ein Höchstmaß an heißblütiger Emotionalität. Kaufmann, der
auf dem Höhepunkt seiner außergewöhnlichen Karriere angelangt zu
sein scheint, gestaltet die aufbrausend-impulsive Art des Turridu
darstellerisch wie gesanglich als eine Leidenschaft, die
schicksalhaft und unentrinnbar ist, während er den abgrundtiefen
Hass und die sich verzehrende Eifersucht des von Nedda betrogenen
Canio mit testosterongesteuerter Brutalität verbindet. Aber trotz
dieser Gefühlseruptionen bewahrt ihn sein kluger Gestaltungsinstinkt
davor, sich zu verausgaben. Was für eine Sternstunde italienischer
Gesangskultur! Hat man diese beiden Rollen je so perfekt und
hinreißend hören können?
Ohne gute Partnerinnen und Partner
aber kann selbst der beste Tenor wenig ausrichten. In der
„Cavalleria rusticana“ hat Kaufmann eine Santuzza zur Seite, die
sich wahrlich hören lassen kann: Die ukrainische Sopranistin
Liudmyla Monastyraka kann trotz ihres gelegentlich unschönen
Tremolos als bedingungslos und bis zur Verzweiflung Liebende
überzeugen. Ihr von Hass erfülltes „A te la mala Pasqua!“ (Für dich
schlimme Ostern!) läuft einem kalt den Rücken hinunter. Ambroglio
Maestri als Turridus Rivale Alfio, dem das Wort Liebe unbekannt ist,
da er seine Frau Lola lediglich als Eigentum betrachtet, steht mit
seiner bulligen Brutalität in krassem Gegensatz zu dem von Gefühlen
hin- und hergerissenen Liebhaber seiner Frau. Mit seinem kernigen
Bariton weiß er zu überzeugen, besonders in der Auseinandersetzung
mit Turridu.
In „Pagliacci“ kann Maria Agresta als kesse, die
Männer mit ihrem Charme verzaubernde Nedda punkten, und Dimitri
Platanias, ein Tonio von schmierig-aufdringlicher Art, beweist in
seinem berühmten Prolog, dass Italianità nicht immer auftrumpfend
sein muss.
Regie und Bühnenbild sind in einer Hand: Philipp
Stölzl hat die Bühne des Großen Festspielhauses in drei obere und
drei untere Spielstätten aufgeteilt. So kann er das eigentliche
Geschehen ebenso zeigen wie all das, was die nicht auftretenden
Personen tun, denken und fühlen. Da das simultan geschieht, gibt es
manchmal sechs verschiedene Handlungsstränge, die den Blick in die
Psyche der Protagonisten ermöglichen. Oft ist der jeweils Singende
auf der einen Teilbühne „normal“ zu sehen, während sein Gesicht in
Großformat auf einer anderen Teilbühne erscheint. Trotz vieler
schöner Einfälle ist eine solch vielgliedrige, filmische Mittel
verwendende Inszenierung jedoch eher verwirrend.
Wer nun
glaubte, Thielemann würde den krassen Verismo dieser Opern bedienen,
der hat sich getäuscht gesehen. Erstaunlich, was er an Delikatessen
und lyrischen Feinheiten aus den Partituren herausgekitzelt hat. Und
– um nur ein Beispiel zu nennen – was für ein Genuss, das Intermezzo
aus „Cavalleria rusticana“ als subtil ziseliertes sinfonisches Poem
zu hören! Wieder einmal kann die Staatskapelle Dresden beweisen,
dass sie den ihr von Wagner verliehenen Namen „Wunderharfe“ nach wie
vor verdient.
Beifallsstürme für alle, besonders aber für die
beiden unumstrittenen Stars des Abends: Jonas Kaufmann und Christian
Thielemann.