Osterfestspiele in [Baden-Baden und ]Salzburg: Es triumphieren klar
nach Punkten Christian Thielemann, die Sächsische Staatskapelle und
Regisseur Philipp Stölzl mit "Cavalleria rusticana" und "Bajazzo".
Jenes Orchester, das den "Rosenkavalier" 1911 an der Semperoper
uraufgeführt hatte, die Sächsische Staatskapelle, spielt bei den
ebenfalls luxuriös besetzten Osterfestspielen in Salzburg derweil
Pietro Mascagnis "Cavalleria rusticana" und Ruggero Leoncavallos
"Bajazzo". Liebe, berstende Leidenschaft, Eifersucht, Tod: Wenn der
Begriff "vollsaftig" mal angebracht ist, um ein Klangerlebnis zu
beschreiben, dann für diesen Premierenabend im Großen Festspielhaus,
wo Christian Thielemann, der genialische Wirkungsmusiker, das
Opern-Doppel dirigierte.
Seine Hausgötter mögen Wagner und
Strauss sein, aber er liebt auch die populäre Operette, und wenn
Thielemann als hochdramatischer Klangfetischist entsprechend
akribisch den italienischen Verismo anpackt, bleibt dem Publikum die
Spucke weg. Altes Karajan-Pathos, so farbenvoll wie mächtig, perfekt
ausbalanciert und glühend musiziert von den "Dresdnern". Allein
schon die Intermezzi: so emotional wie geschliffen und effektvoll.
Orchesterkultur im Cinemascope-Format, aber das ist diesmal
keine Floskel. Denn Philipp Stölzl inszeniert "Cavalleria
rusticana", das sizilianisch dörfliche Drama, mit fast
expressionistischer Stummfilmästhetik. Eine Riesenwand ist
aufgeteilt in sechs Bühnenfenster, jeweils drei in zwei Reihen: für
gespielte Szenen, gemalte Bilder, Live-Kamera-Aufnahmen. Da läuft in
fortwährender Auf- und Abblende, auch simultan, ein Spielfilm ab in
Schwarz-Weiß. Grandioses Opernkino, aber die Bilderwucht lenkt nicht
ab - alles passt, mehr Live-Soundtrack war nie, das Orchester bringt
die Farbe ins Spiel.
Zirkusbunt in ausgemalter Kulisse folgt
der "Bajazzo", und erneut nutzt Stölzl die Schauplatz-Vielfalt
seiner Sechser-Bühne, um nicht nur aktuelle Aktion zu zeigen,
sondern um extra Hintergrundgeschichten zu erzählen und den
Protagonisten ins Gesicht zu schauen. Da spielt Nedda fürs
Jahrmarktpublikum die Commedia dell'Arte vom Bajazzo, der von seiner
Frau Columbine mit Harlekin betrogen wird. Lache, Bajazzo? Auch im
wirklichen Leben wird Canio von Nedda betrogen, bald bricht das
Spiel im Spiel mörderisch aus - während also Nedda als Columbine
scherzt, schminkt sich der rasende Canio . . . Die Live-Kamera
blickt ihm für uns in die Seele.
Superstar Jonas Kaufmann ist
Canio, auch der Turiddu war ein Rollendebüt: italienische
Tenorherrlichkeit, kraftvoll, schluchzend, heißblütig. Ovationen.
Erstklassig auch Ambrogio Maestri (Alfio), Dimitri Platanias
(Tonio), Maria Agresta (Nedda), Liudmyla Monastyrska als tief
berührende Santuzza oder der Chor der Semperoper. Dann knieten sie
beim Schlussapplaus vor der Sächsischen Staatskapelle hin, die
Thielemann mit auf die Bühne holte. Ja, warum sollte er die
"Dresdner" verlassen - aber wenn die "Berliner" einen neuen
Chefdirigenten wählen, kommen sie an Thielemann nicht vorbei.