Kurier, 29.03.2015
Peter Jarolin
 
Mascagni: Cavalleria rusticana, Leoncavallo: Pagliacci, Salzburg, 28. März 2015
 
Und jetzt kann Hollywood kommen
 
Mascagnis "Cavalleria rusticana" und Leoncavallos "Pagliacci" – ein vorzeitiges Ostergeschenk in Salzburg.
 
So sieht ein Triumph aus, so hört sich ein Triumph auch an. Denn was Dirigent Christian Thielemann, Regisseur Philipp Stölzl und Startenor Jonas Kaufmann mit Pietro Mascagnis "Cavalleria rusticana" und Ruggero Leoncavallos "Pagliacci" bei den Salzburger Osterfestspielen machen, verdient schlicht die Bezeichnung Weltklasse.

Aber der Reihe nach: Erstmals hat sich Thielemann in Salzburg mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden (toll auch der Chor) dieser beiden, so populären Verismo-Opern angenommen und zeigt (Reprise: 6. April), wie genial diese Musik interpretiert werden kann. Denn Thielemann liefert mit dem fabelhaften Orchester keine kraftmeierische, oft zu billige Schlachtplatte ab, sondern zelebriert intensive Psychodramen.

Anti-Helden

Auf der einen Seite steht der junge, emotional überhitze Turiddu (vollendet: Jonas Kaufmann), der aufgrund einer "Amour fou" in den bewussten Duell-Tod geht. Auf der anderen Seite ist es der von Eifersucht getriebene Canio (gigantisch: Jonas Kaufmann), der als tragischer Gaukler seine Frau Nedda und deren Liebhaber auf offener Bühne ersticht. Zwei Anti-Helden, die dank des famosen Dirigats von Christian Thielemann in all ihren Facetten erfahrbar werden. Thielemann und die Dresdner – Richard Strauss hat einst das Orchester nicht zu Unrecht als "Wunderharfe" bezeichnet – modellieren Mascagni und Leoncavallos Musik hinreißend aus, nehmen sich Zeit für sensible, melodische Seelen-Porträts, liefern aber im richtigen Moment auch perfekte Dramatik ab. Was da aus dem Graben kommt, ist in seinen Nuancen sensationell.

Maßstäbe

Und Thielemann hat mit Jonas Kaufmann einen Tenor zur Verfügung, der in beiden Rollen Maßstäbe setzt. Kaufmann singt beide Partien so lyrisch, mit so viel Italiantià, mit Schmelz und perfekt sitzenden Höhen, dass es eine pure Freude ist. Und Kaufmann ist auch ein Singschauspieler im besten Sinn, den Regisseur Philipp Stölzl in seiner extrem filmischen Umsetzung (Kostüme: Ursula Kudrna) auch braucht.

Stölzl teilt die Bühne des Festspielhauses in mehrere Ebenen auf. Unten finden Massenszenen statt, oben ist Raum für private Gefühle. Diese aber werden via Kamera als Close-ups projiziert: Das Live-Geschehen wird optisch verdoppelt oder sogar verdreifacht. Wenn sich Canio per Schminke zum mörderischen Komödianten verwandelt, hält Stölzl mit der Kamera drauf und Jonas Kaufmann könnte so als eindringlicher Method-Actor der Marke Robert De Niro durchgehen. Sollte das ein Hollywood-Regisseur sehen, hätte Kaufmann wohl sofort ein Ticket nach Los Angeles.

Starke Männer

Aber auch andere brillieren stimmlich wir darstellerisch: Ambrogio Maestri etwa als Mafia-Pate Alfio in der expressionistisch, beinahe nur in Schwarz-Weiß gehaltenen "Cavalleria" oder Dimitri Platanias in der bunten Zirkus-Atmosphäre des "Pagliacci" als feister Intrigant Tonio. Gut auch: Alessio Arduini als Silvio und Tansel Akzeybek als souveräner Beppe.

Und die Damen? Annalisa Stroppa gestaltet eine verführerische Lola in "Cavalleria", Stefania Toczyska ist eine biedere Mutter. Nur Liudmyla Monastyrska glaubt man die Santuzza nur selten, weder schauspielerisch, noch vokal. Über (zu) harmloses Mittelmaß kommt die dramatische Sopranistin kaum hinaus.

Da ist Maria Agresta als fremdgehende Nedda auch stimmlich aus ganz anderem Holz geschnitzt. Sie bildet neben Kaufmann das erotisch-sensible Kraftzentrum in "Pagliacci". Auch dann, wenn die Kamera mit aller Brutalität dran bleibt. Denn die Osterfestpiele Salzburg 2015 sind ganz großes Kino.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
  www.jkaufmann.info back top