Auf halbem Weg nach London, wo am 18. November eine
szenische Neuproduktion von Cileas »Adriana Lecouvreur« ansteht,
legten Angela Gheorghiu und Jonas Kaufmann mit eben dieser
vergleichsweise selten gespielten Oper eine Zwischenstation an der
Bismarckstraße ein, zur großen Begeisterung all derjenigen
Glücklichen, denen es gelungen war, sich für eine der beiden
konzertanten Aufführungen rechtzeitig Karten zu sichern. Nicht
allein, dass mit den beiden Sängerstars ein oft vermisster Glamour
einzog, es waren noch viel mehr die phänomenalen gesanglichen
Leistungen, die den Abend in den Rang des Außergewöhnlichen erhoben
und das Publikum zu Jubelstürmen hinrissen.
Angela
Gheorghiu ist, um es vorwegzunehmen, eine Idealbesetzung der Adriana
Lecouvreur. Die Partie der kapriziösen Schauspielerin, die an einem
vergifteten Veilchenstrauß-oder vielleicht doch eher an gebrochenem
Herzen - stirbt, sitzt der rumänischen Starsopranistin im
derzeitigen Stadium ihrer Karriere stimmlich wie angegossen. Von der
ersten Note ihres „Io son l'umile ancella" an bestachen
Phrasierungs- und Legatokunst, Ausdrucksintensität, die effektvoll
platzierten Crescendi und Acuti und nicht zuletzt das immer noch
berückend schöne Timbre. Die gekonnt zelebrierte Attitüde der
Operndiva verschmolz Angela Gheorghiu dabei geschickt mit dem
Bühnencharakter der (auch) in ihrem wirklichen Leben von der Pariser
Gesellschaft angebeteten Tragödin. Und noch nie dürfte jemand im
Rahmen einer konzertanten Aufführung so dramatisch und ergreifend
den Bühnentod erlitten haben wie Angela Gheorghiu alias Adriana
Lecouvreur an diesem Abend. Szene und Kostüme hat deshalb
wohl niemand im Zuschauerraum ernsthaft vermisst, zumal auch Jonas
Kaufmann sich darauf einließ, die Handlung mit seiner
Bühnenpartnerin leicht anzuspielen. Nicht nur in seinem
lyrisch-schlicht dargebotenen „Lanima ho stanca" nahm man ihm
mühelos ab, wie strapaziös es sein kann, zwischen die Fronten von
zwei um seine Gunst rivalisierenden Frauen zu geraten. Dank seiner
natürlichen Ausstrahlung gelang es Kaufmann überdies, mehr
Sympathiepunkte als gewöhnlich für den wankelmütigen Moritz von
Sachsen zu sammeln. Zeigte sich die Stimme des Strahletenors am
Anfang noch etwas belegt, sang er sich zusehends frei. Und einmal
mehr erregte Bewunderung, wie Kaufmann die Strahlkraft des
Wagnertenors mit einer dezenten Verismo-Träne in der Stimme und der
Sensibilität des Liedsängers vereint. Wenn er zusammen mit Gheorghiu
Pianissimo-Phrasen spann, schlug das Herz jedes Opernliebhabers
höher.
In
punkto optischer Attraktivität stand die Russin Anna Smirnova zwar
neben dem Protagonistenpaar auf verlorenem Posten, nicht aber, was
die stimmlichen Mittel betraf. Eine gewaltige, vielleicht etwas zu
vibratoreiche Mezzosopranstimme füllte mühelos den Saal und ließ
darüber hinaus etwas von der Einsamkeit und Verzweiflung hinter der
Bosheit der Fürstin von Bouillon ahnen. Optimal ergänzt wurde dieses
Sängertrio durch Ensemblemitglied Markus Brück, der dem unglücklich
in Adriana verliebten Michonnet den beachtlichen Wohlklang seiner
Baritonstimme und berührend-menschliche Züge verlieh.
Noch
vor Beginn der Vorstellung hatten Musiker des Orchesters der
Deutschen Oper Handzettel verteilt, auf denen um Verständnis für
bevorstehende Arbeitskampfmaßnahmen geworben wurde. Von solchen
blieb diese Aufführung glücklicherweise verschont und Maestro Marco
Armiliato durfte sich ohne irgendwelche Hindernisse der Mitwirkung
dieses großartigen Opernorchesters versichern. Dass es ihm nicht
immer gelang, die Orchesterlautstärke sängerfreundlich zu reduzieren
und die Positionierung der Sänger vor dem Dirigenten offenbar auch
manchen Reibungsverlust zur Folge hatte, war ihm nachzusehen
angesichts einer insgesamt höchst mitreißenden, stimmigen und nie zu
sentimental geratenen Interpretation. Von dem bestens gelaunten
Publikum wurde er in die Ovationen am Ende der Vorstellung großzügig
mit einbezogen.