Verismo-Oper in Starbesetzung konnte die
Deutsche Oper Berlin jetzt für zwei Vorstellungen an ihrem Haus zeigen;
allerdings nur konzertant. Wahrscheinlich wäre mit Angela Gheorghiu und
Jonas Kaufmann zeitlich eine ausführlich gearbeitete szenische Fassung nicht
möglich gewesen. Verkaufen können hätte man die Produktion indes sehr viel
häufiger. Die beiden Vorstellungen sind seit langem restlos ausverkauft.
Man hat die günstige Gelegenheit für eine
Gala-Produktion genutzt – schließlich hat Jonas Kaufmann gerade eine
Verismo-CD herausgebracht, auf der auch zwei Ausschnitte aus
Adriana Lecouvreur enthalten sind. Dennoch war
es mehr als das sonst übliche konzertante Rampenstehen. Man hat sich
durchaus auch angeschaut, wenn man eine gemeinsame Szene hatte. Eine innige
Umarmung zwischen den beiden Protagonisten gab es, und Angela Gheorghiu ist
am Ende einen herzzerreißenden Bühnentod gestorben.
Sängerisch bewegt sich
die Produktion auf höchstem
Niveau. Beide Protagonisten agieren sehr kontrolliert, fast berechnend und
setzen die erforderlichen Stilmittel höchst überlegt ein. Das passt auch
ganz gut – als etwas gereiftes Liebespaar; schließlich sind sie auch schon
Anfang bzw. Mitte vierzig. Jonas Kaufmann legt viel Wert auf Zwischentöne.
Den Heldentenor kann er genauso bedienen wie einfühlsame leise Momente bis
hin zum erstickten Schrei am Ende. Er ist im Moment auf der Höhe seines
Könnens.
Während Kaufmann in Sachen Ausstrahlung
eher wie der liebe Junge von nebenan wirkte, zelebrierte Angela Gheorghiu
ihre Auftritte bis in die letzte Handbewegung. Ebenfalls von hoher
Differenzierungskunst, bewahrte sie weitgehend Ebenmaß in der Stimme, fast
ein bisschen zu vollendet und glatt für diese Oper. Darf man anmerken, dass
sie bei aller sängerischen Vollendung ihre Rolle ein wenig uminterpretierte?
Adriana Lecouvreur ist schließlich eine Schauspielerin, die Sätze singt wie
"Ich diene bescheid'nen Sinns". Dafür war es dann doch eine Spur zu
divenhaft, stimmlich – und äußerlich; nach der Pause gab es auch noch ein
neues Kleid zu bestaunen. Das störte allerdings letztlich nicht; schließlich
bekam man absolute Hochglanz-Sangeskunst geboten.
Nicht
weniger vortrefflich
präsentierte sich das übrige Ensemble. Eine
Rolle ist da vor allen anderen zu nennen: die Rivalin der Titelfigur,
wunderbar verkörpert von Anna Smirnova. Von ihrem ersten Auftritt an ist
eine Erregung in ihrer Stimme zu spüren, die durchaus angsteinflößend ist.
Die möchte man am besten nicht zur Feindin haben. Dabei wurde aber deutlich,
dass hier nicht einfach die Böse an sich auftritt, sondern das alles wird
als Folge von Leidenschaft und Verzweiflung deutlich.
Nicht
unterschlagen darf man den Chor der Deutschen Oper, der gerade von der
Zeitschrift Opernwelt zum Chor des Jahres gewählt wurde. Viel zu singen hat
er an diesem Abend nicht, nur ein paar Einwürfe im dritten Akt. Trotzdem war
zu spüren, welches Niveau in den vergangenen Jahres erarbeitet wurde. Und
nach dieser Auszeichnung klang es noch besonders nach stolzgeschwellter
Brust. Man kann es den Choristen nicht verdenken.
Marco
Armiliato am Pult des Orchesters
der Deutschen Oper hatte die
Sache jederzeit im Griff. Er ist ein erfahrener Operndirigent, der auch bei
einem Arienalbum von Jonas Kaufmann dirigiert hat. Armiliato fackelt nicht
lange; er hält das Orchester an der kurzen Leine. Das funktioniert; gerade
am Beginn wirkt es schnörkellos, fast lakonisch. Der Dirigent findet für
jede Gefühlsregung die passende Atmosphäre: Leichtigkeit ist dabei, dann
wird dramatisch aufgedreht, und wenn schmachtende Sehnsucht angesagt ist,
bleibt es glücklicherweise vollkommen kitschfrei.
Insgesamt hat man
gerne zugehört, auch wenn deutlich wurde, warum Adriana Lecouvreur
doch nicht so häufig auf den Spielplänen zu finden ist. Es gibt in dieser
Oper permanent schöne Stellen, allerdings nie etwas mit solchen
Hitqualitäten wie im Bajazzo oder in Cavalleria rusticana.