Ihre "Adriana Lecouvreur" konnte fast alles: betörend
zart säuseln, wutschäumend angreifen, Giftblitze schleudern. Ihrem
hemmungslos geliebten Maurizio schien Adriana nicht nur auf dem Podium
verfallen zu sein. Jonas Kaufmann und Angela Gheorghiu, das umjubelte
Traumpaar dieser konzertanten Opernaufführung - es flirtete heimlich bis
feurig, turtelte unaufhörlich, suchte immer wieder die gegenseitige
Berührung. Und wenn Gheorghius Hände nicht an Kaufmanns Anzug nestelten,
weil er gerade nicht auf der Bühne war? Dann umschmeichelten ihre Finger
stattdessen das kühle Metallgeländer des Dirigierpultes wie eine kostbare
Theaterrequisite.
Jonas Kaufmann sonnte sich im Glanz der Gheorghiu. Aber
nicht nur. In den Liebesszenen gab er alles, schluchzte herzergreifend in
druckvollen Höhen, schmiegte sich leidenschaftlich an Gheorghius
Luxussopran. Obwohl seine Stimme in so manch innigen Momenten empfindliche
Verbrauchsspuren aufwies - die unaufhörlich knisternde Spannung zwischen der
Gheorghiu und Kaufmann machte es mehr als wett.
Die Russin Anna Smirnova trat dem Paar als wahrhaft
Furcht einflößende Gegenspielerin entgegen. Smirnovas Fürstin, schwer
verwundet von der enttäuschten Liebe zu Maurizio, erklärte Gheorghius
Adriana den erbitterten Divenkrieg. Zähnefletschend stürzte sie sich auf
ihre Kontrahentin. Maurizio hatte sich ihren erdrückenden Liebesbezeugungen,
ihrem Würgegriff der Liebe, bereits entzogen. Was der Fürstin blieb, war
bitterböse Rache - Anna Smirnova hob die Fürstin in den Rang einer
tragischen, stolzen Heldin.
Zu diesem illustren Weltklasse-Trio gesellte sich der
Bariton Markus Brück. Er spendete dem Ensemble, was noch fehlte: lyrische
Wärme. Als Regisseur Michonnet verströmte er komödiantischen Charme. Als
stiller, sensibler Verehrer Adrianas eroberte er die Herzen des Publikums.
Er war der gute Geist der Oper auf dem zerklüfteten Schlachtfeld der Liebe.
Bewundernswert, wie Markus Brück, seit 2001 festes
Ensemblemitglied der Deutschen Oper, sich so mühelos in das schwer zu
knackende Gespann Gheorghiu-Kaufmann-Smirnova einfügte. Doch die größte
Überraschung: Francesco Cileas "Adriana Lecouvreur", in deutschen Breiten
kaum gespielt, hatte weit mehr zu bieten als anderthalb Hits. Die Oper
strotzte vor musikalischer Potenz. Sie faszinierte durch dicht geknüpfte
musikalische Fäden, durch ein leitmotivisch miteinander verzahntes
Figurenensemble, durch eine hinterlistige Spiel-im-Spiel-Dramaturgie. Kein
Bühnenbild störte - und keine moderne Regieanweisung.
Dem streikkriselnden Orchester der Deutschen Oper hörte
man das streikkriselnde Orchester glücklicherweise nur in den ersten Takten
an. Das engagierte Sängerensemble wusste es bald zu bezirzen. Der feurige
Taktstock von Marco Amiliato tat sein Übriges. Minute für Minute gewann das
Orchester an Spiellaune, Schmelz und Schärfe. Nach orkanartigen
Applausstürmen zur Pause hin wanderten die Musiker wie auf Wolken. Der
schweißströmende Amiliato dirigierte wie im Rausch. Tränenverhangen
durchschillerten die Musiker das Vorspiel des letzten Aktes. Angela
Gheorghiu zeigte sich von der impressionistischen Magie der Musik tief
bewegt. Ihre Lippen gerieten in stumme Bewegung. Sie schmeckte die Musik,
balancierte sie bedächtig auf der Zunge. Und schöpfte Kraft für das
stimmenaufreibende Finale.
Frenetischer Applaus und Hochrufe brandeten ihr
entgegen. Das Publikum feierte das Sängerensemble mit aller Macht. Eine
gefühlte Viertelstunde lang prasselten die Hände des Publikums auf die
strahlenden Sänger ein. Die Premiere der "Adriana Lecouvreur" als
Erdrutschsieg: Etwas Besseres konnten sich Angela Gheorghiu und Jonas
Kaufmann in Berlin kaum wünschen. Für sie war es eine rundum gelungene
Generalprobe. Denn schon im November stehen beide am Royal Opera House in
London erneut als Liebespaar Adriana und Maurizio auf der Bühne - dort dann
in Kulisse und von Regieanweisungen umgarnt.