Der 1866 in Palmi/Kalabrien geborene und 1950 in Varazza/Savona
gestorbene Francesco Cilea hat sechs Opern komponiert, von denen sich nur
diese, nach einem Schauspiel von Eugène Scribe und Ernest Legouvé, auf ein
Libretto von Arturo Colautti entstandene, dauerhaft in den Spielplänen der
Opernhäuser halten konnte. Eine verworrene Geschichte aus dem Paris des 18.
Jahrhunderts um die Liebe zweier Frauen, der Fürstin von Bouillon und der
berühmten Schauspielerin Adriana Lecouvreur, zu demselben Mann, dem Fürsten
Moritz von Sachsen (Maurizio), samt einer eingefügten „Theater-auf-dem-Theater“-
Szene. Nach Arien, Duetten, Ensembles und raffinierten Finals, endet die
Hauptdarstellerin tragisch am Duft vergifteter Veilchen, den sie einatmet.
Weder der verzweifelte Maurizio, noch Michonnet, ihr an unerwiderter Liebe
leidender väterliche Freund, können die Vielgeliebte retten.
Das im Nachgang des „Verismo“ gehaltene Werk verlangt neben einem
höhensicheren Tenor eine Sopranistin für die Titelrolle, die nicht nur
beseelt singt. Sie muss zudem über einen gewaltigen Atem und hohe
Gesangskultur verfügen, um den von Cilea komponierten, meist in einem
Crescendo gipfelnden, unendlichen Phrasen gerecht zu werden. Und
tatsächlich, sie war da und sang neben und mit Jonas Kaufmann. Die Diva des
Verismo, der rumänische Opernstar Angela Gheorghiu.
Ihr Spintosopran verführt mit Schwelltönen, die sich von den erklommenen
Gipfeln in die Ohren, von dort ins Gehirn und dann ins Herz bohren; man
möchte, dass diese Töne niemals enden mögen. Die Sängerin weiß um ihre
Einmaligkeit, spielt mit ihren Kollegen, dem Dirigenten und ihrem fasziniert
lauschenden Publikum. Und wer so singt, wie sie, dem wird das manchmal
störende, manierierte „Divenrepertoire“, das jede ihrer Szenen begleitet,
verziehen. Am Ende stehen Angela Gheorghiu und der nicht minder
attraktiv, teils mit Kopfstimme singende, virile Jonas Kaufmann im tosenden
Applaus und Bravotaumel eines begeisterten Publikums.
Auch Anna Smirnova, mit einem voluminösen Mezzosopran gesegnet, räumt für
ihre mitreißende Darstellung der Fürstin von Bouillon ebenso beim Publikum
ab, wie der über sich hinauswachsende, ebenbürtige Markus Brück, der seinen
Prachtbariton der Partie des Michonnet lieh. Stephen Bronk als betrogener
Fürst von Bouillon und Burkhard Ulrich als kauziger, durchtriebener Abbé von
Chazeuil waren am Erfolg dieses Abends beteiligt. Die Mitglieder der
Comédie-Francaise, La Jouvenot, La Dangeville, Quinault und Poisson,
wurden mit Hulkar Sabirova, Katarina Bradic, Krzysztof Szumanski und Gregory
Warren aus dem Ensemble rollendeckend besetzt. Der im zweiten Teil agierende
Chor war präzise von William Spaulding einstudiert.
Großen Anteil an dieser „Sternstunde der Oper“ hatte das wunderbar
differenziert musizierende Orchester unter der Leitung des enorm
einfühlsamen Marco Armiliato, der die Musikalität sozusagen mit der
Muttermilch eingesaugt hat. Beide Elternteile sind berühmte Opernsänger. Für
die Delikatesse, mit der er die Introduktionen und Zwischenspiele leitete
und die Hingabe, mit der er die Sänger auf musikalischen Händen trug, war
auch ihm und seinen Musikern der Begeisterungssturm des Hauses sicher.
Ein denkwürdiger, großer Abend in der Deutschen Oper Berlin, der die
Rückkehr in den normalen Opernalltag schwer fallen lässt.
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