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Drehpunkt Kultur, 25/08/21 |
Von Reinhard Kriechbaum
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Puccini: Tosca, Schlossbergbühne Kasematten, Graz, ab 22. August 2021
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Wohin springen vom Konzertpodium? |
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Ein reger Sängeraustausch zwischen Salzburg und Graz: Dort ist – genauso wie
bei der konzertanten Tosca bei den Pfingstfestspielen im Mai – in diesen
Tagen Bryn Terfel als Scarpia ausgefallen. Rettung fand sich 280 Kilometer
weiter: mit Ludovic Tézier, der gerade bei den Festspielen diese Rolle
gestaltet.
Ludovic Tézier hat am Sonntag (22.8.) die Grazer Tosca
gerettet und wird auch heute Mittwoch (25.8.) die dritte Aufführung dort
singen. Er bringt es also in sieben Tagen auf fünf Scarpias. Das setzt schon
athletische Stimmband-Kondition voraus.
Man haut in Graz für diese
semi-szenische Aufführung in den Schlossberg-Kasematten ordentlich auf den
Putz: Die Met- und Staatsopern-erprobte lettische Sopranistin Kristīne
Opolais in der Titelrolle, Jonas Kaufmann als Cavaradossi (zu Pfingsten in
Salzburg sang er die Rolle an der Seite von Anna Netrebko). Der als Scarpia
angekündigte Bryn Terfel war noch zur Generalprobe da, dann ging wirklich
nichts mehr. In der von uns besuchten zweiten Aufführung am Dienstag (24.8.)
– da war zeitgleich in Salzburg eine Tosca – hat diese Rolle der noch am
Vortag beim Bregenzer Seebühnen-Rigoletto beschäftigte Jordan Shanahan
übernommen. In den kleineren Rollen Ensemblemitglieder der Grazer Oper. Die
stellt auch das Orchester, den Chor und den Kinderchor.
Jonas
Kaufmann ist zur Vollform aufgelaufen, hat nun deutlich mehr überzeugt als
in der konzertanten Salzburger Aufführung unter Zubin Mehta, obwohl auch
hier die Orchesterwogen hoch gingen und gerade im ersten Akt Schonung nicht
angesagt war. Keine Wünsche blieben diesmal offen, was Kraft und Attacke
anlangte. Aber natürlich kommen gerade im dritten Akt Kaufmanns Vorzüge als
Stimm-Lyriker besonders vorteilhaft heraus. Ein solches Piano, an der Grenze
zur Zerbrechlichkeit, in der Arie E lucevan le stelle fordert Respekt ab,
auch wenn ob der Microports der Mann an den Reglern dem Glück ein ganz klein
wenig nachhelfen kann. Mehrere Minuten Beifall für Kaufmann jedenfalls, und
weil eine Oper an diesem Ort schon auch ein bisserl Volksfestcharakter hat,
wurde die Arie wiederholt.
Kristīne Opolais hat nicht nur scheinbar
mühelose Strahlkraft in der Höhe anzubieten. Ihre Stimme zeichnet eine
wahlweise samten ausgebreitete, gelegentlich auch stählern eingesetzte tiefe
Lage aus. Da wirken Toscas Eifersuchtsanfälle gefährlich – und auch Scarpia
wäre wohl gut beraten, auf diese reichlich vorhandenen Zwischentöne zu
hören. Jordan Shanahan will man den Unhold nicht so recht abnehmen – aber
die falsche Schleimerei gegenüber Tosca, verbunden mit Daumenschrauben, das
bringt er gestalerisch schon gut rüber und an Volumen fehlt's auch nicht.
Die Grazer Oper hatte Tosca vor der Pandemie schon im Repertoire, zu
einer Wiederaufnahme vorige Saison kam es nicht. Die Vertrautheit mit dem
Werk jedenfalls hat man den Chören wie dem Grazer Philharmonischen Orchester
angehört. Marcus Merkel am Pult hat viel mehr beigetragen als den
prominenten Stimmen begleitend zuzuarbeiten. Es waren, bemerkenswert für
eine Aufführung an einem solchem Ort (das Dach der Kasematten war natürlich
zu), viele liebevoll formulierte Instrumentationsdetails zu vernehmen. Eine
kapellmeisterlich mehr als überzeugende Leistung.
Und das Spiel auf
dem ganz schmalen freien Bühnenstreifen vor dem Orchester? Liegt halt der
Schlüssel für die Kapelle der Attavanti auf dem Celesta-Pult, und drängt man
sich halt an den ersten Geigen vorbei, um in die Folterkammer zu kommen.
Hauptsache der Tisch mit Rotwein, zwei Gläsern und einem Messer steht im
zweiten Akt bereit. Die szenische Einrichtung besorgte Florian Peter Kutej.
Die Protagonisten bringen von verschiedensten Inszenierungen Erfahrungen
mit. Die wissen sich dann also schon zu helfen, auf dass ein bisserl mehr
draus wird als Händeringen. Tosca zum Beispiel hat man den Schrecken
angesehen, nachdem sie Scarpia das Messer in die Brust gerammt hat. Mord ist
ja nicht ihr Alltagsgeschäft. Artig bekreuzigt sie sich über der Leiche,
wenn sie geht. Von einem Konzertpodium kann man nirgendwohin springen. Und
ein angepasstes Ende hat man sich szenisch nicht ausgedacht. Da versickert
die sonst unter Hochspannung nachgezeichnete Geschichte.
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