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Kleine Zeitung, 23.8.2021 |
von Martin Gasser |
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Puccini: Tosca, Schlossbergbühne Kasematten, Graz, ab 22. August 2021
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Zwei Sichten auf ein Seelendrama |
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Zwei hochkarätigst besetzte Produktionen von „Tosca" an einem
Wochenende. In Graz überstrahlt Jonas Kaufmann die Kasematten; ein Bericht
und Gespräch mit dem Tenorissimo.
(ohne den Bericht über die
Salzburger Tosca)
Drei Weltstars und eine Besetzung, die selbst jene
der Salzburger Festspiele ein wenig in den Schatten stellt. Am Schloßberg
sind Kristine Opolais als Tosca, Jonas Kaufmann als Cavaradossi und Sir Bryn
Terfel als Scarpia zu erleben, besser geht es eigentlich nicht. Eigentlich,
denn leider war Sir Bryn bei der Generalprobe am Samstag indisponiert und
gezwungen zu markieren und zu transponieren. Für ihn sprang gestern dann
kurzfristig Ludovic Tézier ein, der am Vortag noch in Salzburg gesungen
hatte. Durch den vokalen Ausfall des Bösewichts fokussierte sich bei der
samstägigen Vor-Fernsehaufzeichnung alles auf das Team Opolais-Kaufmann. Die
beiden haben ja in Sachen Puccini einiges vorzuweisen, etwa eine
mustergültige, auf DVD vorliegende „Manon Lescaut" aus London.
Tatsächlich ist Opolais als Tosca weniger die große Diva als die
erschütternd Fühlende. Die lyrischen und tragischen Passagen gelingen ihr
noch besser als das Kapriziöse und Primadonnenhafte der Figur, am Samstag
musste sie leider im zweiten Akt quasi noch ohne ihren Gegenspieler Scarpia
auskommen, „Vissi d'arte" berührte aber auch so hinreichend.
Für
Jonas Kaufmann ist der Cavaradossi jene Puccini-Partie, die er mit Abstand
am öftesten gesungen hat, wie er am Rand der Grazer Produktion im Gespräch
mit der Kleinen Zeitung erzählte: „Puccini ist das reinste Schwelgen, die
hohe Kunst und die permanente Arbeit mit Gas und Bremse, ohne dass der Motor
überhitzt. Bei Verdi hat man Platz, kann frei gestalten, bei Wagner muss man
erst die Linie finden. Puccini ist nicht leicht, aber man macht die Stücke
nicht, weil sie leicht sind, sondern weil sie eine Herausforderung
bedeuten."
Kaufmann, der kürzlich wieder auch den viel lyrischeren
Rodolfo in „Bohème" gesungen hat („Ich habe die Rolle so vermisst!") bringt
jedenfalls einen prächtigen Cavaradossi nach Graz. Wenn die Stimme frei
fließen kann, wenn er Zeit hat, sein Material auszuspielen, bietet er
Fantastisches. „Recondita armonia" sitzt nur ganz am Anfang nicht, wird dann
aber ebenso famos wie das schlicht gestaltete „E lucevan le stelle", bei dem
die Lichtregie auf der Kasemattenbühne einen Sternenhimmel fabrizieren darf.
Aber es sind nicht nur die Sänger, die auf den Kasematten gefallen:
Dirigent Marcus Merkel kreiert mit den exzellent spielenden Grazer
Philharmonikern eine zart schmelzende, vielfarbige Umsetzung der Partitur
und die kleineren Auftritte von Chor und Singschul' sind ebenso gelungen.
Bei konzertanten Aufführungen sind die Sänger für gewöhnlich ihrem
darstellerischen Geschick überlassen, viel mehr als konventionelle Gesten
sind da auch in Graz nicht drin. Jonas Kaufmann kann solchen Aufführungen
dennoch etwas abgewinnen: „Auch wenn ich mit einer Opernregisseurin
verheiratet bin - es ist manchmal schön zu sehen, wie Musik ohne alles
Drumherum funktionieren kann. ‚Tosca' ist dafür ein Paradestück, weil
Puccini jede Geste, jede Berührung hineingeschrieben hat." Für Kaufmann
selbst gibt es noch Wunschrollen: Neben Wagners Tannhäuser und Strauss'
Kaiser („Frau ohne Schatten") ist auch eine Puccini-Partie offen. Der Calaf
(„Turandot)" ist schon fix in Planung, auch wenn Kaufmann die Partie für
nicht allzu attraktiv hält. Man mag sich derweil mit seinem fulminanten
Cavaradossi begnügen. Bis inklusive Mittwoch in Graz.
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