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Online Merker, 21.02.2021 |
Alexander Walther |
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Verdi: Aida, Paris, Opera Bastille, 18. Februar 2021
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PARIS: Live bei Arte: Giuseppe Verdis „AIDA “ in der Opera national de Paris |
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Ein seltsamer Blick ins 19. Jahrhundert |
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Verdis Oper „Aida“ ist zweifellos ein großer Wurf. An der Mailänder Scala
hatte das Werk übrigens einen noch größeren Erfolg als bei der Uraufführung
in Kairo im Jahre 1871, zu der der ägyptische Vizekönig internationale
Prominenz eingeladen hatte. Die niederländische Regisseurin Lotte de Beer
(Bühnenbild: Christof Hetzer) verlegt die antike Handlung von Giuseppe
Verdis Oper „Aida“ ins ausgehende 19. Jahrhundert. Im Spätsommer 1870 brach
der Deutsch-Französische Krieg aus, Napoleon III. wurde im September
gefangengenommen und die Belagerung von Paris begann. Das spürt man hier
deutlich. Auf Gemälde von David und Delacroix wird Bezug genommen, man sieht
neben Napoleon Bonaparte auch Assoziationen zur Französischen Revolution
sowie altägyptische Motive.
Aida und ihr Vater Amonasro werden zudem
als seltsam schwebene Marionetten dargestellt – ein recht unglücklicher
Einfall, der die Personenführung doch immer wieder stört (Designerin: Mervyn
Millar). Dasselbe gilt für die mit Engelsflügeln auftretende Amneris.
Zugleich wirken die einzelnen Bilder dieser Inszenierung oftmals seltsam
zerrissen, obwohl die geballte Dramatik zwischen den Figuren doch zum
Vorschein kommt. Auch der Museumsszene mit den seltsamen Masken und dem
zuletzt blutverschmierten Totenschädel scheint eine wirkliche innere Logik
zu fehlen. Die größte szenische Geschlossenheit besitzt noch das Finale der
Oper, wo Aida und Radames ihrem Tod entgegengehen. Die Inszenierung deutet
eine schemenhafte Pyramide an – und viele Marionetten scheinen als
Totengebeine herumzuliegen. Da nimmt man dann auch „Todesengel“ mit
Corona-Masken wahr, was aber irgendwie aufgesetzt wirkt.
Dass Lotte
de Beer hier aber einen Rassenkonflikt darstellen möchte, bekommt der
Zuschauer kaum mit. Dasselbe gilt für den Isis-Tempel, der angeblich den
Kolonialismus hinterfragen soll. Man vermisst zugleich die geheimnisvolle
Atmosphäre des Nil-Aktes. Herabfallende Brokatvorhänge wecken Assoziationen
an ein „Theater im Theater“. Das Ganze kann man leider nicht immer ernst
nehmen.
Es ist eine Aufführung, deren musikalische Qualität weit über
der szenischen Ausführung steht. Dem Dirigenten Michele Mariotti gelingt mit
dem präzis musizierenden Orchester der Pariser Oper eine genaue Betonung des
wehmütigen und elegischen Charakters. Die wuchtig-hochdramatischen Momente
kommen nicht zu kurz. Und die Feinheiten der Tonsprache blitzen deutlich
hervor, der mit großer Klarheit formulierte Formwille offenbart sich
außerdem bei den gewaltigen Auseinandersetzungen zwischen der Sklavin Aida
(die eigentlich eine äthiopische Königstochter ist) und ihrer Rivalin
Prinzessin Amneris. Harmonisch kommen zudem die Szenen großer Pracht- und
Massenentfaltung zur Geltung, weil der Chor der Pariser Oper zusammen mit
dem Orchester die elektrisierenden Passagen überzeugend herausarbeitet.
Sondra Radvanovsky besitzt als Aida ein wunderbares Pianissimo bis in die
höchsten Spitzentöne, während Jonas Kaufmann als Radames leuchtkräftige
Kantilenen beschwört. Sein hohes B in der berühmten Arie „Celeste Aida“
kommt mit sphärenhafter Leichtigkeit daher, wobei Legato und Pianissimo
genau getroffen werden. Auch eine starke Gaumen-Betonung fällt hier nicht
ins Gewicht. Die außerordentlichen Qualitäten dieser beiden Sänger kommen
beim Liebestod „Leb wohl, o Erde, o du Tal der Tränen“ eindringlich zur
Geltung. Ksenia Dudnikova fesselt als Aidas Rivalin Amneris mit einem
voluminösen Mezzosopran, dessen dynamische Spannweiten beachtlich sind. Das
Aidamotiv und das Charaktermotiv der Amneris gewinnen bei dieser Wiedergabe
deutliche Präsenz. Michele Mariotti akzentuiert mit dem Orchester der
Pariser Oper subtil die leitthematischen Funktionen und suggestiven
thematischen Verbindungen. Die zwingende Bildkraft der Melodien beweist
immer wieder auch die Nähe zu mystisch-transzendentalen Regionen. In
weiteren Rollen überzeugen ferner Ludovic Tezier als fulminanter Amonasro,
Soloman Howard als ausdrucksvoller König, Dmitry Belosselskiy als
effektvoller Ramfis, Alessandro Liberatore als Bote und Roberta Mantegna als
Priesterin. |
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