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RP online, 29. Januar 2020 |
Von Regine Müller |
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Konzert, "Mein Wien", Düsseldorf, 28. Januar 2020
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Jonas Kaufmann müht sich durchs Konzert |
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Düsseldorf Leichte Muse, schwer gestemmt: Der weltberühmte Tenor musste in der Tonhalle zum Mikrofon greifen.
Jonas Kaufmann ist ein Zugpferd des Klassik-Marktes. Seinen Star-Ruhm
verdankt der Tenor nicht nur seinem bronzefarben timbrierten Organ, sondern
auch seiner blendenden Bühnenerscheinung. Und seinem speziellen Charisma
zwischen jungenhaftem Charme und Dreitagebart-Eros. Soeben ist sein neues
Album erschienen, das sich der leichten Wiener Muse widmet. Und wie es sich
gehört für einen Star dieser Größenordnung und die Marketing-Macht eines
großen Labels, gibt es zum Album eine Tournee.
Von den letzten
Stationen dieser Tour las man eher Verhaltenes, aus Hamburg verlautete, er
sei stark erkältet, das Nürnberger Konzert sagte er ab. In Düsseldorf
scheint nun alles nach Plan zu verlaufen, jedenfalls gibt es keine Ansage,
bevor Jochen Rieder mit der Prague Philharmonia forsch die Ouvertüre zur
„Nacht in Venedig“ anstimmt.
Dann entert Kaufmann die Bühne und
schraubt erstmal eines der beiden auf der Bühne installierten Mikros hoch.
Doch eine Ansage? Aber nein, nicht von Indisposition ist die Rede, sondern
Kaufmann erklärt, das Operettenfach benötige eine gewisse Intimität, und die
Mikros würden insbesondere nach der Pause bei Wiener Liedern und Schlagern
zum Einsatz kommen.
Dann geht es endlich los. Kaufmann intoniert „Sei
mir gegrüßt, du holdes Venezia“ mit dunklem Bariton-Gewicht, arbeitet sich
langsam hoch, die Mitte tönt etwas belegt, oben bricht sich dann solides
heldisches Metall Bahn. Das klingt eher romantisch raunend nach einem
unbekannten Jugendwerk Wagners und entwickelt keinerlei Strauß-Eleganz,
geschweige denn Wiener Schmäh‘. Was aber ja auch ein Konzept sein könnte.
Irritierender ist, dass das Mikro bereits arbeitet und es bei den ersten
zwei Arien und dem Duett aus der „Fledermaus“ mit der Sopranistin Johanni
van Oostrum zu seltsamen Überlagerungen von akustisch authentischen und
verstärkten Klängen kommt. Auch merkt man im Duett, dass Oostrums wendiger
Sopran-Strahl Kaufmann mühelos übertönt. Was man Oostrum nicht als
unkollegial anrechnen darf, sie singt ohne jeden bösen Ehrgeiz, aber ihre
Stimme trägt einfach viel besser. Was ist da los?
Kaufmann fühlt sich
sichtbar unwohl. Die Arme kleben oft steif am Körper, in Pausen räuspert er
sich, kontrolliert die Nase, wendet sich ab. Schon im ersten Teil jongliert
er mit dem Mikro, geht nah heran, wenn er die Stimme in für ihn unangenehmen
Lagen zurückfährt, geht weiter weg, wenn er Kraft investiert und einzelne
Phrasen ganz aussingt.
Das kommt indes nicht oft vor. „Draußen in
Sievering blüht schon der Flieder“ singt er durchweg nur im verhaltenden
Mezzoforte. Das soll liedhafte Leichtigkeit suggerieren, Wiener Eleganz und
Beiläufigkeit. Es fehlen aber die geschmeidige Süße und lyrische Glut, die
diese Musik braucht.
Im zweiten Teil singt er kaum noch einen
kernigen Ton, nun ist sein Mikro vollends hochgeschraubt (ihres nicht!).
Kálmáns „Zwei Mädchenaugen“ klingen dann tatsächlich nur noch wie markiert.
Kaufmann macht das clever, sein Falsettregister ist gut ausgebaut und
bruchlos verbunden mit der Mittelstimme, mit der er den Klang wieder erden
kann. Die wenigen hohen Töne, die er mit voller Stimme singt, wirken
angestrengt, beengt und farblos. Was Wunder, dass die ersten spontanen Bravi
nicht Kaufmann, sondern Johanni van Oostrum für ihr schwungvolles
„Vilja-Lied“ von Lehár kassiert. Spätestens hier wird überdeutlich: Van
Oostrum singt sorgenfrei, Kaufmann kalkuliert. Dennoch großer Applaus,
Zugaben.
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