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Abendzeitung, 30.06.2020 |
Robert Braunmüller |
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Mahler: : Lieder eines fahrenden Gesellen, 29. Juni 2020
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Kirill Petrenko dirigiert für König Ludwig II. |
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Die Staatsoper beendet die Saison mit einem Konzert des Bayerischen
Staatsorchesters unter Kirill Petrenko im Nationaltheater
Vor 110 Jahren schlug die Stunde des Maximalaufwands. Gustav Mahler
komponierte die „Symphonie der Tausend“, Arnold Schönberg dürstete nach
ähnlich vielen Mitwirkenden in den „Gurreliedern“, Richard Strauss erreichte
in „Elektra“ und der „Alpensinfonie“ sein orchestrales Maximum mit knapp 120
Mitwirkenden. Mehr oder weniger gleichzeitig entdeckten Schönberg und
Strauss aber den reizvollen Klang kammermusikalischer Besetzungen, kleinerer
Formate und orchestraler Verdichtung.
Kirill Petrenko, der im Juni
eigentlich Mahlers kolossale Achte dirigieren wollte, stellte nun ein
coronabedingtes und gleichzeitig dramaturgisch sinniges Programm kleiner
besetzter Orchesterwerke zusammen, mit dem sich die Bayerische Staatsoper in
die Theaterferien verabschiedete.
Oberbayerische Hausmusik Am
Beginn stand Schönbergs Kammersinfonie Nr. 1 für 15 Solo-Instrumente, die –
wie die Werke von Richard Strauss – eigentlich zur oberbayerischen Hausmusik
im weiteren Sinn zählen müsste, weil sie 1906 in Rottach-Egern
fertiggestellt wurde.
Für das klanglich heikle Werk versammelte
Petrenko den Nachwuchs des Staatsorchesters, die Orchesterakademie auf der
Fläche des kürzlich erweiterten Orchestergrabens im Nationaltheater. Eine
richtige Entscheidung, denn Schönbergs in expressionisch grellen Farben
schillerndes Werk braucht Direktheit. Wie in fast jeder Aufführung hatten
auch hier die Streicher etwas Mühe, sich gegen die Bläser durchzusetzen.
Aber es gelang eine vitale, heftige, das Grelle nicht verschmähende
Realisierung dieses musikalischen Gegenstücks zur Buntheit der Bilder des
„Blauen Reiters“.
Den übrigen Abend bestritt das Bayerische
Staatsorchester in der üblichen Konzertaufstellung auf der Bühne des
Nationaltheaters. Das führte ein wenig dazu, dass die Schärfe der kleinen
Besetzung in Igor Strawinskys „Pulcinella“-Suite und dem „Bürger als
Edelmann“ von Richard Strauss ein wenig im Weichzeichner des großen Raums
verschwamm.
Strauss und Strawinsky als Nachbarn Aber die
Kombination beider Werke ist ausgesprochen reizvoll, weil sich Strauss im
„Auftritt des Fechtmeisters“ und Strawinsky im Vivo-Satz der
„Pulcinella“-Suite bei den grotesken Soli der Blechbläser in einer Weise
nahekommen, die wirklich überrascht. Und ganz am Ende gelingt es Strauss wie
in „Ariadne auf Naxos“, etwa 40 Musiker wie ein Riesenorchester rauschen zu
lassen.
Dazwischen gab es noch ein sehr edles Kabinettstück: Jonas
Kaufmann sang Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ in einer Bearbeitung
Schönbergs für kleine Besetzung. Den wilde Expressionismus von „Ich hatt’
ein glühend Messer“ arbeitet diese Version besonders gut heraus. In diesem
Lied beeindruckte Kaufmann mit Kraft, die anderen Stücke sang er mit
gehauchter Kopfstimme, perfekt passend zu den subtilen Klangmischungen aus
Flöte, Harmonium und Klavier.
Viele Zuhörer im Internet Wenn man
die wechselnden Besetzungen des Orchesters und die Bühnenmannschaft für die
ausgedehnten Umbauten zusammenrechnet, dürfte man auf knapp 100 Mitwirkende
kommen. Sie entsprachen ziemlich exakt den 100 zugelassenen Zuhörern, die
sich in den Rängen des Nationaltheaters wie der menschenscheue König Ludwig
II. bei einer Separatvorstellung fühlen durften.
Im Internet waren
allerdings erheblich mehr Leute dabei. Den Stream verfolgten live (und
weltweit) 36 000 Zuschauer. Bei allen 13 Montagskonzerten seit März waren es
insgesamt knapp über 300 000. Diese Zahl an Besuchern hätte knapp 150-mal
für ein ausverkauftes Nationaltheater gesorgt. Eine Zahl, die man sich für
den Fall merken sollte, dass wieder jemand über das nachlassende Interesse
an klassischer Musik klagt.
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