Hannoversche Allgemeine, 18.2.2019
Von Stefan Arndt
 
Konzert, Hannover, Kuppelsaal, 17. Februar 2019
 
Jonas Kaufmann singt im Kuppelsaal
 
Star-Tenor Jonas Kaufmann war mit einem französischen Programm zu Gast in Hannover – und wurde nach seinem beeindruckenden Auftritt im ausverkauften Kuppelsaal auch mit Pralinen und Stoffbären belohnt.
 
Es ist etwas Urgewaltiges in dieser Stimme. Wie sonst kann man die Faszination erklären, die von Jonas Kaufmanns Pro-Musica-Auftritt im ausverkauften Kuppelsaal ausgeht? Die Begeisterung, die fast alle der mehr als 3000 Zuhörer erfasst, und die Fülle an Blumen, Pralinen, Stoffbärchen und weiteren Präsenten, die enthusiasmierte Besucherinnen dem Tenor nach dem Konzert auf das Podium reichen? Sein Gesang scheint etwas jenseits des Musikgeschmacks zu treffen, er ist eine Art Geheimsprache, die mit ein paar einzelnen Tönen im Zuschauer etwas bislang Verborgenes zum Schwingen bringen kann. Kaufmanns Tenor trifft direkt ins Herz.

Ein ungewöhnlicher Tenor
Dabei ließe sich manches einwenden, gegen das, was jetzt bei seinem hannoverschen Gastspiel zu hören war: Passt zu dem ausschließlich französischen Programm, das Kaufmann im Kuppelsaal präsentiert, nicht eigentlich eine andere Stimme viel besser? Die Musik der Grande Opéra verlegt doch eher nach einem schlankeren Tenor, nach silbrig leuchtendem Timbre, nach schwebender Leichtigkeit. All das hat Kaufmann nicht. Sein Tenor ist ein ungewöhnlicher Tenor mit dunklem, baritonal gefärbten Grundton.

Manchmal, in leisen, hohen Passagen, klingt seine Stimme fast ein bisschen matt, aber eben nur fast. Und wenn er aus voller Kehle Spitzentöne schmettert, dann ahnt man, wie viel Kraft ihm das kostet. Aber auch das ist nicht mehr als eine Ahnung. So löst sein Gesang einen Nervenkitzel aus: Ihm zuzuhören ist, als würde man einen Tänzer auf einem hoch über den Köpfen gespannten Seil beobachten. Er vollbringt wagemutige Kunststücke, die den Zuhörern für Momente den Atem stocken lassen und sie erleichtert und begeistert, wenn sie gelungen sind.

Kultivierte Kunststücke
Dass die Kunststücke nicht immer gelingen, war jüngst bei einem Auftritt in der Hamburger Elbphilharmonie zu erleben, die eine eigentlich schon längt zu den Akten gelegte Diskussion über die Akustik des Hauses wieder hat aufflammen lassen.

Von rustikalen Jahrmarktsattraktionen sind Kaufmanns Kunststücke allerdings weit entfernt. Im Kuppelsaal ist bei ihm alles hochkultiviert. Er mischt die Register, er nimmt die Stimme weit und weich zurück, er dosiert Vibrato und Schweller raffiniert und platziert Spitzentönen N WEG wie Leuchttürme, die in stürmischer See plötzlich strahlend für Orientierung sorgen. Manchmal, etwa in der zugegebenen Szene aus Jules Massenets „Manon“, geht seine Stimme über der Orchesterbegleitung keusch und kühl auf wie der Mond. Sie kann von Verzweiflung erfüllt sein und trotzdem tapfer gefasst wie in der Arie des Eléazar aus Jacques Fromentals Halévys Oper „La Juive“ oder von unterschwellig glühendem Zorn wie im Finale von Bizets „Carmen“.

Starke Partnerin, schwacher Partner
Kaufmann steht mit Anita Rachvelishvili bei einigen Stücken eine ebenbürtige Partnerin zur Seite. Die Georgierin verfügt über einen fabelhaft ausgeglichenen Mezzosopran von fast orgelhafter Fülle, der sehr schön und spannend mit Kaufmanns interessantem Tenor kontrastiert. Das Philharmonia Orchester aus Prag, das unter Leitung von Jochen Rieder auch einige Ouvertüren und Zwischenspiele zum Programm beisteuert, ist dagegen kein sehr spannender Begleiter: Es agiert an der Grenze zur Lustlosigkeit. Rieder ist allerdings langjähriger Vertrauter des Tenors: Das mag beim Tanz auf dem Hochseil wichtiger sein als ein inspirierender Dirigent.


















 
 
  www.jkaufmann.info back top