Salzburger Nachrichten, 06. August 2018
CLEMENS PANAGL
 
Wolf: Italienisches Liederbuch, Salzburg, Großes Festspielhaus, 3. August 2018
Jonas Kaufmann und Diana Damrau: Auch ein Traumpaar muss Krisen meistern
 
Vom Liebeslied zum Liebesleid ist es bei Hugo Wolf nie weit. Diana Damrau und Jonas Kaufmann wussten in Salzburg einen Weg zum Happy End.
 
So was soll ja selbst bei ausgewiesenen Traumpaaren vorkommen: Auch wenn erst einmal alles nach harmonischer Seligkeit klingt, kann sich das Glück allmählich chromatisch einfärben. Und plötzlich erscheint eine Wendung in trübes Moll nicht mehr ausgeschlossen. Er neckt. Sie schmachtet. Sie zweifelt. Er schmollt.

Die ganze, komplexe Skala der Liebesgefühle hat der Komponist Hugo Wolf im späten 19. Jahrhundert in seinem zweiteiligen "Italienischen Liederbuch" vertont. In die Liste der Traumpaare, die diese 46 Miniaturen auf die Bühne bringen, haben sich heuer auch Tenor Jonas Kaufmann und Sopranistin Diana Damrau eingereiht. Um mit einem Raritätenprogramm große Säle zu füllen, braucht es große Namen. Zwischen Berlin und Wien waren die beiden Stars heuer bereits auf Tour. Auf Wunsch des Tenors wurde auch sein geplanter Liederabend bei den Salzburger Festspielen am Freitag in ein "Solo für zwei" umgewandelt. Und auch in Salzburg gelang das Kunststück, die Intimität von Wolfs Liedern in den Weiten des Großen Festspielhauses zur Entfaltung zu bringen.

Einfach sind bei Wolf ja nur die Textvorlagen: Für sein Liederbuch zog der Romantiker kurze italienische Volksweisen heran, die Paul Heyse gesammelt und ins Deutsche übertragen hatte. Damrau, Kaufmann und ihr famoser, in allen Beziehungslagen stets umsichtig vermittelnder Klavierbegleiter Helmut Deutsch haben die Abfolge der Lieder nicht nur so umgestellt, dass sie einen dramaturgischen Bogen von übermütiger Verliebtheit über Zweifel und Enttäuschung bis hin zum wehmütigen Abschiedsschmerz ergibt. Sie nutzen auch den Freiraum der Bühne, um das Gesungene mit kleinen, spielerisch angedeuteten Szenen zu unterstreichen: "Bedenkt, wie gern wir uns mit Perlen schmücken", singt die Sopranistin zu Beginn im wohl bekanntesten Lied der Sammlung ("Auch kleine Dinge können uns entzücken"). Und Kaufmann inspiziert dazu ihre Ohrringe. Später wird er ihr zum Trost ein Taschentuch reichen müssen. Dass Damrau im Lauf des Abends mehrmals die Farbe ihrer Stola wechselt, hat ebenfalls Signalcharakter für den jeweiligen Liebesstatus. "Ihr seid die Allerschönste weit und breit!", singt Kaufmann zu Beginn. Aber Damrau meldet bald Zweifel an: "Geh zu dem Liebchen, das dir mehr gefällt!", stichelt sie mit fein dosiertem Unterton, um schließlich zu triumphieren: "Das Ständchen eines Esels zög ich vor!"

Mit dem Gefühl des steten Zweifelns war unterdessen auch Hugo Wolf intim vertraut. Gerade sein Ruf als "Liederfürst" machte dem großen Zerrissenen immer wieder zu schaffen, strebte er doch nach der großen Form der Oper. Mit den italienischen Liedern schrieb der Wagnerianer kunstvolle Kompositionen, die in ihrer Kürze zwar sogar das Format heutiger Popsongs unterschreiten, aber statt in die Länge in die Tiefe gehen: Mit immer wieder überraschenden harmonischen Wendungen und chromatisch schimmernden Melodien verlangen sie den Interpreten vollste Konzentration auf kleinstem Raum ab - und Wandlungsfähigkeit in allen Registern. Im zweiten Teil des Abends fanden Damrau und Kaufmann dabei zur größten Innigkeit: "Sterb ich, so hüllt in Blumen meine Glieder", sang der Tenor in zartestem Piano. Ein versöhnliches Ende gab es letztlich trotz aller Wehmut: Mit einem zweistimmigen "Gruß" von Felix Mendelssohn Bartholdy als Zugabe. Auf Traumpaare ist eben doch Verlass.




 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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