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Hamburger Abendblatt, 09.02.18 |
Joachim Mischke |
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Wolf: Italienisches Liederbuch, Hamburg, Elbphilharmonie, 8. Februar 2018
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Kaufmann und Damrau: Großes Drama in der Elbphilharmonie |
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Singen, bis das Herz bricht: Jonas Kaufmann, Diana Damrau und Helmut
Deutsch interpretieren Wolffs "Italienisches Liederbuch". |
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Zwei Opernstars, die gern für die großen und schnell dankbaren Helden- und
Diven-Partien gebucht werden, im Großen Saal der Elbphilharmonie, und was
servieren Diana Damrau und Jonas Kaufmann auf diesem
Klassik-Präsentierteller de luxe? Das reinste Kassengift aus einer
Repertoire-Nische, auf etliche kleine Portionen verteilt zwar, und dennoch:
Unter anderen Umständen, in anderen Räumen, hätte dieses Programm ein
ziemlich großes Akzeptanzproblem und mit weniger großen Namen erst recht.
Hugo Wolffs "Italienisches Liederbuch" ist nichts, was sich so einfach
wegsingen oder durchhören ließe, das muss man schon sehr wollen.
Es ist die vertonte Fieberkurve einer Beziehung Auch
hier, umgeben, ach was: umzingelt von mehr als 2100 Menschen, ist Wolff als
einziger Programmpunkt nicht ohne Problemzonen. Man darf gedanklich nicht
abbiegen, man muss unentwegt die kurze Distanz zum Notentext halten, der vor
lauter Erzählen nur selten Raum zum Aussingen gibt. Die Musik will
Kammerspiel, bei dem das Bravouröse nur in der Nahaufnahme passiert und
funktioniert, der Hamburger Raum jedoch bietet ganz großes Drama.
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Kleinigkeiten werden gegeben, verkunstliederte Momentaufnahmen, die aus
heutiger Sicht wie eine romantisch verklärte Version einer
WhatsApp-Konversation wirken: Er sagt, sie sagt, er behauptet zurück, sie
findet einfach etwas anderes, und all das irgendwo im damaligen
Bildungsbürger-Sehnsuchtsland Italien, wo man die Anatomie der Angebeteten
schon mal mit der Architektur des Doms von Siena vergleicht (was sich in
einem der nächsten Lieder prompt rächt). Die vertonte Fieberkurve einer
Beziehung, die man beim Werden beobachtet, mit ihren Aufs und Abs, dem
Flirten und dem Zweifeln. Um so etwas wie einen dramaturgischen Ablauf
hineinzubringen, haben die Interpreten sich ihre eigene Abfolge kombiniert,
doch auch so bleibt die Balance zwischen ihm und ihr und dem Gesungenen
schwierig.
Ein sehr feines Vergnügen Weiter
verkompliziert wird die Sache mit der Annäherung und dem Hin und dem Her
durch das starre Format-Korsett: Für Sänger, die aus Opern direkte
Reaktionen, stimmlich oder szenisch, vom Gegenüber gewohnt sind, sind diese
Lieder Geduldsproben, da sie unmittelbar gemeint sind, aber nicht
unmittelbar antworten können. Vor allem aber sind sie viel komplizierter,
als sie wirken, weil es ausgesprochene Petitessen sind, die schon beim
geringsten Überdruck ihren zerbrechlichen Charme der Kleinteiligkeit
verlören.
Damrau und Kaufmann sind an diesem Abend klug und gut
genug, um sich zu beherrschen und das jeweilige Stimmvolumen im Zaum zu
halten. Sie setzen ihre Spitzentöne und die dynamischen
Temperamentsausbrüche gekonnt sparsam ein, es ist ein sehr feines Vergnügen,
ihnen dabei zuzuhören, denn der Charme geht so dankenswerterweise nicht
verloren.
Ohnehin haben sich hier zwei Charaktere auf einer Bühne
eingefunden, deren Gegensätze anziehend wirken: einerseits der leuchtend,
manchmal verspielt gurrende Sopran von La Damrau, die nur sehr selten
durchblitzen lassen darf, wie viel Temperament unter der Oberfläche zu
halten ist. Andererseits der Strahletenor Kaufmann, dessen Stimme, baritonal
angedunkelt, im interessanten Widerspruch zur jugendlichen Unbedarftheit
steht, die dem männlichen Part des Liederbuchs die Spannung gibt, weil am
Ende ja doch sie das letzte Wort hat.
Dritter in diesem Bunde,
bescheiden bis zur Selbstverleugnung, ist der Klavierbegleiter Helmut
Deutsch. Oft hat er nur wenig zu tun, und das ist dann noch nicht mal
besonders interessant gesetzt, sondern nur als Akkord-Rahmen gedacht.
Deutsch ist solche Zuarbeit gewohnt, er spielt wie geschrieben, nicht mehr,
nicht weniger. Der fahle, todesnahe Tiefpunkt und zugleich ein Höhepunkt des
umjubelten Abends ist Wolffs Nummer 33, "Sterb ich, so hüllt in Blumen meine
Glieder". Ein Lied wie von Orpheus auf dem direkten Weg in die Unterwelt
gesungen, bei dem Kaufmann sich ganz und gar zurücknimmt, nur noch andeutet,
bis fast die Stimme bricht. Und so manches Herz, das zuvor nichts von dieser
Musik wusste, hoffentlich gleich mit.
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